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2003:1 Die strukturelle Determination der Zunahme von Ungleichheiten |
Petr Matějů, Blanka Řeháková, Natalie Simonová |
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Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung des Hochschulwesens in der Tschechischen Republik nach 1989 mit besonderem Augenmerk auf die entsprechenden Rechtsvorschriften, den institutionellen Rahmen, die Finanzierung und das Aufnahmeverfahren. Das tschechische Hochschulwesen erfuhr seit 1989 tiefgreifende Veränderungen. Die wichtigsten strukturellen Modifikationen, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, sind die Dezentralisierung und die Diversifikation. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Parameter der politischen und institutionellen Reformen der Gegenwart und der Zeit vor der Samtenen Revolution setzen wir uns zum Ziel, die Frage zu beantworten, wie sich die Ungleichheiten beim Zugang zur tertiären Bildung in der Tschechischen Republik entwickelten. Wir formulieren eine Hypothese, der zufolge die Zeit der stabilen Ungleichheiten von 1948 bis 1989 durch eine Phase wachsender Ungleichheiten während der postkommunistischen Transformation (1989 - 1999) abgelöst wurde. Die größte Aufmerksamkeit wird der kulturellen und sozioökonomischen (Klassen-)Dimension der sozialen Herkunft und des Geschlechts gewidmet sowie deren Einfluss auf die Chance, Hochschuldbildung zu erlangen. Für besonders wichtig halten wir den Vergleich des Niveaus der Ungleichheiten während der kommunistischen und postkommunistischen Ära. Theoretisch stützten wir uns auf die Erkenntnisse von Rafter und Hout (1996) sowie Hanley und McKeever (1997), die feststellten, dass die Chance, einen höheren Bildungsgrad zu erreichen, bei aus Familien mit geringem sozialen Status stammenden Einzelnen nur unter der Voraussetzung wachsen können, dass die Nachfrage nach dem gegebenen Bildungsgrad in erster Linie bereits in den über soziales und kulturelles Kapital verfügenden höheren Schichten befriedigt ist. Unter Anwendung der loglinearen Analyse modellierten wir den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Chance eines erfolgreichen Übergangs von der sekundären zur tertiären Bildung von 1948 bis 1999. Die Ausgangshypothese über den wachsenden Einfluss der sozialen Herkunft auf diesen Übergang in der Zeit nach 1989 konnte anhand der von uns analysierten Datensammlung bestätigt werden. Eine Erklärung für diesen Trend sehen wir in der unzureichenden Expansion des tertiären Bildungssektors, dessen Umfang der ständig wachsenden Nachfrage nach Hochschuldbildung unter Bedingungen, in denen die sozioökonomischen Ungleichheiten zunehmen, nicht gerecht werden kann.
Zusammenfassung
Ziel dieses Artikels war es, die Entwicklung der Ungleichheiten beim Zugang zur tertiären Bildung zwischen 1948 und 1999 zu beschreiben. Das sozialistische Hochschulwesen war durch die Bemühung gekennzeichnet, den Einfluss der sozialen Herkunft und des Geschlechts mit Hilfe einer positiven Diskriminierung (z.B. Quotensystem) zu eliminieren. Es gelang ihm jedoch nicht, die Ungleichheiten im Bezug auf die Hochschuldbildung zu beseitigen. Das Schulsystem nach 1989 lässt zwar den Dingen in dieser Richtung freien Lauf, es ermöglicht aber keine so schnelle Entwicklung der Bildungsmöglichkeiten auf tertiärer Ebene, welche die Bedingungen für eine Senkung des Niveaus der Ungleichheiten schaffen würde. Dies führt zu zunehmender Konkurrenz beim Zugang zur tertiären Bildung und so auch zu einem Anwachsen der Ungleichheiten im Bildungsbereich. Obwohl den tschechischen Hochschulen bereits 1990 fast völlige Autonomie gewährt wurde, fand eine umfassende Modernisierung der Hochschulen nicht statt: Das unitarische System wurde nicht in ein binäres umgewandelt, bei den Aufnahmeprüfungen wurde kein standardisierter Pflichtteil eingeführt, der einen Vergleich der Selektivität der einzelnen Hochschulen ermöglicht und den Raum für Korruption eingeschränkt hätte, die institutionelle Trennung von Lehre und Forschung wurde nicht überwunden. Zur Dezentralisierung des Hochschulsystems und seiner Diversifikation trug insbesondere die zunehmende Zahl privater Hochschulen bei, die Bachelor-Studiengänge anbieten. Die starke Abhängigkeit der öffentlichen Hochschulen vom Staat wurde nicht beseitigt. Grund dafür ist vor allem, dass nach wie vor ein System der Finanzierung aus verschiedenen Quellen fehlt und dass sie fast ausschließlich vom öffentlichen Haushalt abhängig sind, was 2001 in eine ernsthafte Finanzkrise der Hochschulen mündete.
Sowohl die strukturellen Zwänge (unitarisches System) als auch die sich verschlechternde finanzielle Situation der Hochschulen (überdurchschnittliche Abhängigkeit von den begrenzten öffentlichen Fonds) stellen ernsthafte Hindernisse für eine weitere Expansion der Bildungsmöglichkeiten dar. Die zunehmende Bildungsaspiration der Studenten und bis vor kurzem die wachsende Zahl der Abiturienten auf der einen und die dauerhaft begrenzte Zunahme von Bildungsmöglichkeiten auf tertiärer Ebene auf der anderen Seite haben einen erheblichen Überhang der Nachfrage gegenüber dem Angebot und eine hohe Anzahl abgelehnter Bewerber zur Folge. Da aber in der Wahrnehmung der Menschen die Bedeutung der Bildung auf dem Weg zum individuellen Lebenserfolg erheblich gestiegen ist und sich das Erreichen eines Hochschulabschlusses allmählich zur Hauptstrategie für den Lebenserfolg entwickelt, wurde der Übergang von der Mittel- zur Hochschulbildung zu einer außerordentlich kompetitiven Angelegenheit.
Unter Zuhilfenahme der Kenntnisse über die politischen und institutionellen Reformen in der Gegenwart und vor 1989 stellten wir drei Hypothesen auf:
1) Das sozialistische Regime führte nicht zu einer Veränderung des Einflusses der sozioökonomischen Herkunft auf die Erfolgschancen beim Übergang vom sekundären zum tertiären Bildungssektor. Die einzige bedeutende Veränderung, war eine Verminderung der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen als Ergebnis der staatlich gelenkten redistributiven Politik.
2) Die postkommunistische Transformation brachte eine erhebliche Zunahme des Einflusses der sozialen Herkunft auf die Erfolgschancen beim Übergang von der Mittel- zur Hochschule mit sich. Dies geschah vor allem aufgrund des wachsenden Einflusses des sozialen Status des Vaters (der repräsentierten sozioökonomischen Dimension der sozialen Stratifikation), während der Einfluss der Bildung der Vaters (kulturelle Dimension der sozialen Stratifikation) stabil blieb. Auch der Einfluss des Geschlechts erfuhr keine Veränderung.
3) Die wachsende Bedeutung sozialer Unterschiede für die Chancen, den Übergang von der sekundären zur tertiären Bildung zu vollziehen, wurde vor allem durch die sich öffnende Schere zwischen den typischen "Verlierern" der Transformation (teilqualifizierte und unqualifizierte Arbeiter) und den übrigen sozialen Schichten verursacht.
Wir richteten unsere Aufmerksamkeit auf den Einfluss der kulturellen und sozioökonomischen (Klassen-)Dimension der sozialen Herkunft und des Geschlechts auf die Chancen, Hochschulbildung zu erlangen. Es gelang uns, die Anfangshypothese zu bestätigen, welche durch die Theorien inspiriert wurde, die Hanley und McKeever (1997) aufstellten und die von Wong (1998) am Beispiel der ehemaligen Tschechoslowakei und von Gerber und Hout (1995) am Fall Russlands bestätigt wurden, dass nämlich zur Zeit des Sozialismus trotz der Reformen und politischen Maßnahmen der Einfluss der sozioökonomischen Herkunft unverändert blieb. Unsere zweite, die Entwicklung nach 1989 betreffende Hypothese bestätigte sich ebenfalls: Nach 1989 kam es zu einer beträchtlichen Zunahme der Ungleichheiten beim Zugang zur Hochschulbildung, und zwar insbesondere durch eine erhebliche Verminderung der Chancen von Kindern aus Arbeiterfamilien. Die Ergebnisse der Analyse bestätigten auch, dass diese Ungleichheiten - in Übereinstimmung mit der Ansicht Goldthorps - in der sozioökonomischen Dimension der sozialen Herkunft ihren Ursprung haben, und nicht etwa in der kulturellen, wie die Vertreter der Theorie des kulturellen Kapitals behaupten (der Effekt des Einflusses der Bildung des Vaters veränderte sich im gesamten Untersuchungszeitraum nicht). Die Phase der stabilen Ungleichheiten beim Zugang zur Hochschulbildung während des Sozialismus wurde durch eine Zeit der wachsenden Ungleichheiten während der postkommunistischen Transformation abgelöst.
Schlüsselwörter
Hochschulautonomie, unitarisches und binäres Hochschulsystem, Finanzierung aus verschiedenen Quellen, Bildungssystem, sekundäre und tertiäre Bildung, kulturelle Dimension der sozialen Herkunft, ökonomische Dimension der sozialen Herkunft, Übergang, Bildungsungleichheiten, Bildungsmöglichkeiten, Chancen, Chancenverhältnis, Theorie der "maximal aufrecht erhaltenen" Ungleichheit
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