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2002:02 Einfluss der familiären Herkunft auf die Entwicklung von Bildungsungleichheiten in der Tschechischen Republik nach dem Jahr 1989 |
Natalie Simonová |
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Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der Ungleichheiten beim Zugang zur ter-
tiären Bildung in der Tschechischen Republik nach dem Jahr 1989. Hauptausgangspunkt ist
der Fakt, dass es nach der „samtenen Revolution “ zu einem erheblichen Anwachsen der
Nachfrage nach der Mittelschulbildung mit Abitur und nach dem Hochschulstudium kam
und zwar auf Kosten der Lehrausbildungsfächer, ob mit oder ohne Abitur. Die Ausgangs-
hypothese dieses Textes war die Behauptung, dass es nach 1989 in der Tschechischen Re-
publik zu einer Zunahme der Bildungsungleichheiten kam, die durch eine unausgewogene
Entwicklung im sekundären und tertiären Sektor des Schulwesens verursacht wurden. Es
wurde auf die Feststellung von Gerber und Hout [1995 ]und Gerber [2000 ]zurückgegriffen,
dass durch Überdruck an Bewerbern, zu dem es zwischen den zwei Bildungsebenen kommt,
die Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung zu Ungunsten der niedrigeren sozialen Schichten
wachsen. Unter Nutzung der Methode der logistischen Regression wurde durch eine Unter-
teilung in drei Altersgruppen der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Wahrscheinlichkeit
eines erfolgreichen Übergangs vom Mittel-zum Hochschulwesen in den Jahren 1948-1999
modelliert. Die Hypothese vom wachsenden Einfluss der sozialen Herkunft auf den Erfolg
beim Übergang von der Mittel-zur Hochschule in den neunziger Jahren konnte jedoch nicht
bestätigt werden. Der Trend nach 1989 spricht im Gegenteil für einen Rückgang der Un-
gleichheiten beim Zugang zu Bildung. Während in den 70er und 80er Jahren die Bildungs-
ungleichheiten entsprechend der Bildung des Vaters wuchsen, sanken sie in den 90er Jahren.
Eine Erklärung für diese Feststellung wird in der Struktur der Abiturienten gesehen, die sich
an der Hochschule bewerben.
Zusammenfassung
Dieser Text ging von der Hypothese aus, dass der Einfluss der familiären (bzw.sozialen)Her-
kunft auf den Erfolg beim Übergang vom sekundären zum tertiären Bildungssektor in der
Tschechischen Republik in den neunziger Jahren gewachsen ist,
Die familiäre (soziale)Herkunft des Respondenten wurde durch die Bildung des Va-
ters und seinen sozioökonomischen Status indiziert. Es wurde ebenfalls getestet,welchen
Einfluss das Geschlecht des Respondenten hat.Die Hypothese von einer Zunahme der Bil-
dungsungleichheiten ging von den Erkenntnissen aus, die Gerber und Hout [1995 ]und
Gerber [2000 ]gewonnen hatten, d. h. sie setzte voraus, dass der Überdruck an Bewerbern,
zu dem es zwischen den zwei Ebenen des Bildungssystems kommt, die Ungleichheiten beim
Zugang zu Bildung zu Ungunsten der niedrigeren sozialen Schichten erhöht.Wie oben ge-
zeigt, kam es nach 1989 durch die erhebliche zahlenmäßige Expansion und das Anwachsen
der Nachfrage nach einer vollständigen mittleren Bildung mit Abitur dazu,dass der tertiäre
Sektor nicht in der Lage war, die darauf folgende Nachfrage nach Studienplätzen zu befrie-
digen.Nach 1995 sank die Wahrscheinlichkeit, in den tertiären Sektor des Bildungswesens
aufgenommen zu werden. Das heißt,dass es während der postkommunistischen Zeit in der
Tschechischen Republik zu einer unausgeglichenen Entwicklung im Bildungssystem (in des-
sen sekundärem und tertiärem Sektor)kam. Aus dieser Perspektive erschien es dann logisch,
dass es zu einem wachsenden Einfluss der familiären Herkunft auf den Zugang zur Hoch-
schulbildung gekommen sein musste.
Dennoch war dies nicht geschehen.Mit Hilfe der logistischen Regression wurde diese
Hypothese nicht bestätigt. Es scheint im Gegenteil so zu sein, dass es seit 1989 zu einer ent-
gegengesetzten Entwicklung kommt: Die Ungleichheiten beim Übergang vom sekundären in
den tertiären Sektor nehmen ab. Die Analyse zeigte, dass während sich der Einfluss der Bil-
dung des Vaters über die Altersgruppen hinweg änderte (in den neunziger Jahren sank er),
der Einfluss seines sozioökonomischen Status quer durch die Altersgruppen stabil blieb.
Man kann also zu dem Schluss kommen, dass es offenbar nicht das ökonomische Kapital
(die Finanzquellen)war, das bei der Realisierung der Bildungsungleichheiten im tschechi-
schen U feld die Hauptrolle spielte, sondern das kulturelle Kapital (die Bildung der Eltern
und die durch ihre Vermittlung erworbenen sprachlichen und linguistischen Kodes des
Kindes). Der Effekt der sozialen (familiären) Herkunft des Studienbewerbers,in dieser Arbeit
indiziert durch die Bildung des Vaters,durch den ISEI des Vaters und das Geschlecht des
Respondenten, sank nach 1989 im Vergleich mit den siebziger und achtziger Jahren.Die
Bildungsungleichheiten erreichten nach dem Jahr 1948 ihren Höchststand in der Zeit nach
der Normalisierung.Der Einfluss des Geschlechts des Respondenten änderte sich so,dass er
zwischen der ältesten und mittleren Altersgruppe sank (es wuchsen die Chancen der Frauen)
und zwischen der mittleren und jüngsten Altersgruppe stieg (die Chancen von Frauen san-
ken gegenüber denen von Männern). Eine Erklärung für diese Entwicklung kann man bei einem näheren Blick auf die Struk-
tur der Bewerber um einen Hochschulplatz finden. Obwohl sich der Anteil der jungen Men-
schen erheblich erhöhte,die heute die vollständige mittlere Bildung mit Abitur erreichen und
so auch potentielle Bewerber für den Zugang zum tertiären Sektor des Bildungswesens sind,
kann man ihre Kenntnisse, die für die Absolvierung des Aufnahmeverfahrens notwendig
sind, anzweifeln. Die Expansion der Mittelschulen, die heute das Abitur anbieten,ist näm-
lich noch keine Garantie, dass sie in der Lage sind, ihre Absolventen so vorzubereiten,dass
sie im Konkurrenzkampf auf dem Bildungsmarkt bestehen können.
Schlüsselwörter
Bildung, Bildungssystem, Übergang zwischen zwei Sektoren des Bildungssystems,Erfolg
beim Übergang, familiäre Herkunft, soziale Herkunft, Zugang zu Bildung, Prozess der Erlan-
gung von Bildung, Bildungsungleichheiten, Abitur (Abschluss der vollständigen mittleren
Schulbildung), Expansion des Abiturs, Reform des Bildungssystems |
The Influence of Family Origin on the Evolution of Educational Inequalities in the Czech Republic after 1989 |
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