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2007:7 Väter, Mütter und Kinderfürsonge nach der Scheidung |
Radka Dudová, Šárka Hastrmanová |
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Die Realität der Elternschaft nach Trennung setzt sich zusammen aus Splittern vieler subjektiver Realitäten, die den jeweiligen Akteuren eigen sind. Diese Publikation hat das Ziel, verschiedene Sichtweisen der Realität der Elternschaft und Kinderfürsorge nach Trennung oder Scheidung des Elternpaares nebeneinanderzustellen und so den vielschichtigen Charakter dieses bedeutenden gesellschaftlichen Phänomens aufzuzeigen. Am Anfang steht eine Einführung in die Problematik der Mutter- und Vaterschaft nach der Scheidung; es werden die wichtigsten Probleme aufgezeigt, auf die Männer und Frauen nach Scheidung oder Trennung stoßen sowie die Ebenen, in denen in der öffentlichen Diskussion über Scheidung, Elternschaft nach der Scheidung und unvollständige Familien gesprochen wird. Des weiteren werden die Ergebnisse zweier qualitativer Untersuchungen vorgestellt, die jeweils die Vater- bzw. die Mutterschaft nach Trennung der Partnerschaft betreffen. Bezüglich der Problematik der Vaterschaft nach einer Scheidung wird besondere Aufmerksamkeit auf drei wichtige Dimensionen der Vaterrolle gelenkt: der Vater als Ernährer, der Vater in seiner Fürsorge und der Vater als eine dem Kind nahe stehende Person; des weiteren wird auch die Frage des Kontroll- und Machtverlustes des Mannes gegenüber seiner ehemaligen Familie erörtert. Das der Mutterschaft gewidmete Kapitel befasst sich mit den Hauptproblemen, auf die Mütter nach der Scheidung stoßen: die Konstruktion der eigenen Familie als „unvollständiger“ Familie, wirtschaftliche Absicherung und Erwerbstätigkeit, Mutterschaft und Erziehung sowie schließlich auch der Anteil der ehemaligen Partner an der elterlichen Verantwortung. Danach wird der gesetzliche Rahmen des Sorgerechts und der Regelung der Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nach der Scheidung vorgestellt. Hierbei werden die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen und die mit diesen zusammenhängenden Hauptprobleme erläutert. Gleichfalls werden die Ergebnisse qualitativer Umfragen unter Experten, die sich mit der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Sorgerechts befassen, vorgestellt. Die Aussagen dieser Experten zeigen, dass der Großteil der nach Scheidungen getroffenen Sorgerechtsregelungen im Grunde genommen eine Fortsetzung des Stands vor der Scheidung darstellt, bei dem die Kinder überwiegend von der Mutter erzogen wurden. Abschließend werden bestimmte verbreitete Mythen, die mit der Frage der Elternschaft nach einer Scheidung verbunden sind, problematisiert.
Schlüsselwörter
Elternschaft nach der Scheidung, Scheidung, Mutterschaft, Vaterschaft, Sorgerechtsregelung, unvollständige Familie, Anvertrauung des Sorgerechts, Alimente
Zusammenfassung
Die vorliegenden soziologischen Studien stellen verschiedene Versionen subjektiver sozialer Realitäten der Elternschaft nach Scheidung nebeneinander und zeigen so die vielschichtige Natur dieses gesellschaftlichen Phänomens, das mit der steigenden Scheidungsrate und der wachsenden Anzahl an Kindern, die außerhalb der Ehe geboren werden, immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Im ersten und zweiten Kapitel führt Radka Dudová den Leser in die Problematik der Mutter- und Vaterschaft nach der Scheidung ein und zeigt die wichtigsten Probleme auf, denen Männer und Frauen nach Scheidung oder Trennung begegnen. Sie stellt die Ebenen vor, in denen in der öffentlichen Diskussion über Scheidung, Elternschaft nach der Scheidung und unvollständige Familien gesprochen wird. Die Autorin geht von der Hypothese aus, dass sich Scheidung grundverschieden auf Mütter und Väter auswirkt: während Männer nach einer Scheidung am meisten unter dem Verlust des täglichen Kontakts mit ihren Kindern leiden, müssen Frauen mit der rapiden Verschlechterung des Lebensstandards klarkommen und die Rolle des Familienoberhauptes annehmen. Für Männer wie für Frauen bedeutet eine Scheidung damit die Notwendigkeit, ihre Identität als Eltern und auch die persönliche Identität neu zu formulieren.
Im dritten Kapitel werden Ergebnisse einer in den Jahren 2005-2006 vorgenommenen qualitativen Untersuchung der Vaterschaft nach Trennung der Partner vorgestellt. Die Aufmerksamkeit wird dabei auf drei wichtige Dimensionen der Vaterrolle gelenkt: der Vater als Ernährer, der Vater in seiner Fürsorge und der Vater als eine dem Kind nahe stehende Person. Die Untersuchung zeigte, dass Väter nach der Scheidung nicht mehr Ernährer der Familie als Ganzer sind, sondern sich zunehmend als Beitragszahler der Familien ihrer Ex-Partnerinnen sehen. Nur wenige begreifen ihren Beitrag als finanziellen Beitrag für die Kinder; die meisten Männer haben keine adäquate Vorstellung von den finanziellen Ansprüchen und Bedürfnissen ihrer Kinder und erwarten überdies, dass die Mutter mindestens die Hälfte der Erziehungskosten durch eigene Arbeit aufbringt, obwohl sie die gesamte Verantwortung für die Kinderfürsorge trägt. Für den Vater in seiner Fürsorgerolle bedeutet die Scheidung den Verlust des täglichen Kontaktes und der täglichen Fürsorgemöglichkeiten. Die Väter verlieren damit bestimmte ritualisierte Momente, in denen sie sich persönlich um ihre Kinder kümmerten. Nach der Scheidung stellt eine ganztätige Fürsorge ohne Assistenz der Mutter für viele Väter ein großes Problem dar, das bis zur Einschränkung der Kontakte führen kann; andere Väter sind jedoch auch in der Lage, diese ausschließliche Verantwortung zum Aufbauen einer größeren Nähe zum Kind zu nutzen. Der Schluss dieses Kapitels ist der Problematik des Macht- und Kontrollverlusts gewidmet, den einige Männer nach der Scheidung erleben.
Im vierte Kapitel werden die Ergebnisse einer in den Jahren 2006-2007 realisierten qualitativen Untersuchung der Mutterschaft nach Trennung der Partnerschaft vorgestellt. Dabei wird zunächst die Konstruktion der „unvollständigen Familie“ in den Aussagen der geschiedenen Mütter erörtert. Anschließend wird deren wirtschaftliche Lage analysiert sowie die Strategien erörtert, die geschiedene Mütter zur Lösung materieller Probleme einschlagen. Nach der Scheidung sind Mütter meist in der Situation des Familienoberhauptes mit nur einem Einkommen, wobei ihnen auch weiterhin die primäre Fürsorge obliegt. Während der Ehe ordneten sie ihre berufliche Laufbahn und Karriereambitionen meist den Interessen ihrer Familien unter und verließen nach der Geburt ihrer Kinder für lange Zeit den Arbeitsmarkt. Nach der Trennung suchen sie meist entweder eine neue Arbeit (sofern sie zuvor keine Anstellung hatten) und müssen dabei mit Äußerungen der Gender-Diskriminierung von seiten der Arbeitgeber klarkommen, die sie als weniger qualifizierte Arbeitskräfte ansehen, da sie Frauen, Mütter und noch dazu alleinerziehende Mütter sind; eventuell suchen sie auch andere Einkommensquellen in Form von kurzfristigen Arbeitsverhältnissen oder Heimarbeit, um die finanziellen Bedürfnisse ihrer Familien befriedigen zu können. Das Kapitel befasst sich auch mit der Problematik der Mutterschaft und Erziehung in Familien mit nur einem Elternteil, mit dem Standpunkt geschiedener Mütter zur elterlichen Partizipation ihrer ehemaligen Partner und mit der persönlichen Gesamteinschätzung ihrer Situation nach der Scheidung.
Im fünften in Zusammenarbeit mit Tereza Dudová verfassten Kapitel wird der gesetzliche Rahmen des Sorgerechts und der Regelung der Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nach der Scheidung vorgestellt. Erörtert werden die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen zur Anvertrauung des Sorgerechts, die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Erziehung nach einer Scheidung, die Regelung der Beziehung zwischen Kind und nicht sorgeberechtigtem Elternteil sowie das Institut der Alimente. Gleichfalls werden die Hauptprobleme dieser Regelungen diskutiert, und anhand von Beispielen werden bestimmte Probleme gerichtlicher Scheidungsverfahren aufgezeigt.
Das sechsten Kapitel, dessen Koautorin Šárka Hastrmanová ist, fasst die Ergebnisse qualitativer Umfragen unter Experten, die sich mit der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Sorgerechts befassen, zusammen. Die Experten sind sich darin einig, dass während eine Scheidung für die Frau insbesondere das Risiko einer erheblichen Verringerung des Lebensstandards mit sich bringt, für den Mann das Hauptproblem im plötzlichen Verlust des täglichen Kontaktes mit den Kindern besteht. Gleichfalls weisen sie darauf hin, dass die meisten Paare eine Einigung vorlegen, der gemäß die Kinder dem ausschließlichen Sorgerecht der Mutter anvertraut werden. Die Sorgerechtsregelungen sind damit meist im Grunde genommen eine Fortsetzung des Stands vor der Scheidung, bei dem die Kinder überwiegend von der Mutter erzogen wurden. Nach Expertenmeinung äußern die meisten Männer kein Interesse an einem Sorgerecht, und gerade dies ist der Hauptgrund dafür, dass in Tschechien in 90 % der Fälle die Mutter das Sorgerecht erhält. Wenn der Mann jedoch am Sorgerecht interessiert ist, so muss er nachweisen, dass er für die Elternschaft „qualifizierter“ ist als die Mutter, was meist recht problematisch ist, da die Fürsorge und die damit verbunden praktischen Angelegenheiten in der Vergangenheit meist von der Mutter übernommen wurden.
Am Schluss berichtigt die Autorin unter anderem gewisse Mythen, die in Tschechien oft mit Elternschaft und Kindererziehung nach Trennung der Partnerschaft einhergehen. Ein Beispiel ist die Überzeugung, dass die Gerichte in Sorgerechtsstreitigkeiten eindeutig und automatisch die Mutter bevorzugen; des weiteren die Vorstellung, dass alle Männer nach der Scheidung jegliches Interesse an ihren Kindern verlieren; die Überzeugung vieler Männer, dass Mütter nach der Scheidung den Vätern im Allgemeinen den Zugang zu den gemeinsamen Kindern verwehren, um sie so für vermeintliche Verletzungen zu bestrafen; oder auch die Überzeugung, dass eine Scheidung für Frauen wirtschaftlich vorteilhaft ist. Diese (und weitere) stereotype Annahmen erweisen sich im Lichte der Forschung als unbegründet.
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