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2007:3 Zusammenhänge zwischen den Veränderungen der Arbeitswelt und Privatleben, Familie |
Radka Dudová (ed.), Šárka Hastrmanová, Hana Hašková, Hana Maříková, Hana Víznerová, Marta Vohlídalová |
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Die tschechische Gesellschaft war in den vergangenen siebzehn Jahren Schauplatz zahlreicher politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Veränderungen, die zu grundlegenden Veränderungen der Formen des gesellschaftlichen Lebens führten und führen. Auf der einen Seite kommt es zu grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt: es erhöht sich der Druck auf die zeitliche Intensität der Arbeit, die mit ganztägiger Abwesenheit von zu Hause verbunden ist, Stress und physische Beanspruchung bestimmter Berufe nehmen zu, die negative Flexibilität der Arbeit zwingt die Beschäftigten dazu, sich nahezu „in letzter Minute“ den Anforderungen der Arbeit und des Arbeitgebers anzupassen, und letztendlich steigt auch die Unsicherheit des Arbeitsplatzes. Diese Transformationen wirken sich oft auch in Veränderungen des Familienlebens aus. Die sichtbarsten Folgen dieser Veränderungen sind die Aktivität von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, der Bedeutungsrückgang des Instituts der Ehe und die Verbreitung unverheirateter Lebenspartnerschaften, die steigende Scheidungsrate und damit verbunden die steigende Anzahl unvollständiger Familien, die Aufschiebung der Elternschaft sowie die steigende Anzahl von Single-Haushalten. Die Publikation antwortet auf die Fragen, welche Risiken die Veränderungen der Arbeitswelt für das Privatleben des Einzelnen mit sich bringen, ob sich die Gestalt der Familie in Tschechien tatsächlich ändert und welche Gruppen von diesen Veränderungen am meisten betroffen bzw. durch diese gefährdet sind. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, auf welche Art und Weise das Arbeitsleben und die Privat- und Intimsphäre ineinandergreifen und wie sich der Einzelne mit diesen wechselseitigen Einflüssen auseinandersetzt. Es wird aufgezeigt, dass die tschechische Gesellschaft immer noch Züge einer Gesellschaft aufweist, die von der frühmodernen Phase in eine spätmoderne Gesellschaft übergeht - während bestimmte Charakteristiken einer spätmodernen Gesellschaft stark ausgeprägt sind (hohe Scheidungsrate, Aufschub der Elternschaft und steigende Kinderlosigkeit), äußern sich andere Merkmale nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen (die nukleare vollständige Familie wird immer noch als Ideal angesehen, Karriere und Selbstverwirklichung des Mannes haben eindeutig Vorrang vor der Karriere der Frau). Zusammenfassend kann nicht gesagt werden, dass die Integration der tschechischen Gesellschaft durch die Transformation gefährdet wäre und dass die Menschen allein und ohne Beziehungen leben wollten. Diese Beziehungen werden aber wahrscheinlich nie mehr die Gestalt der traditionellen Familie haben, in der Kinder innerhalb der Ehe geboren werden und die Ehe ein Leben lang hält.
Schlüsselwörter
Arbeit, Arbeitswelt, Transformation, Familie, Partnerschaft, Privatleben, Elternschaft, Individualisierung, Ehe
Zusammenfassung
Die Abhandlung „Souvislosti proměn pracovního trhu a soukromého, rodinného a partnerského života“ (Zusammenhänge zwischen den Veränderungen der Arbeitswelt und Privatleben, Familie und Partnerschaft) ist eine soziologische Analyse der Veränderungen, die heute in der Arbeitswelt der Tschechischen Republik und gleichzeitig im Bereich des Privatlebens der tschechischen Gesellschaft stattfinden. Die Autorinnen analysieren dabei die gegenseitigen Verbindungen und Einflüsse beider Sphären - der Arbeits- und der Privatsphäre. Die Publikation ist ein Produkt des gleichnamigen Projekts und stützt sich auf die Ergebnisse eine qualitativen Erhebung zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den Veränderungen der Arbeitswelt und des Privatlebens der tschechischen Bevölkerung.
Die Erhebung, an der 5510 Respondenten im Alter von 25-54 Jahren teilnahmen, fand im letzten Quartal des Jahres 2005 im Soziologischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften statt. Das Projekt wird vom Tschechischen Programm für die Erforschung der modernen Gesellschaft und ihrer Veränderungen (tschechisches Ministerium für Arbeit und Soziales) in den Jahren 2005-2008 finanziert.
Die tschechische Gesellschaft war in den vergangenen siebzehn Jahren Schauplatz zahlreicher politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Veränderungen, die zu grundlegenden Veränderungen der Formen des gesellschaftlichen Lebens führten und führen. Einer der Bereiche, die von diesen Veränderungen stark betroffen war, ist die Institution der Familie. Die sichtbarsten Folgen dieser Veränderungen sind die Aktivität von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, der Bedeutungsrückgang des Instituts der Ehe und die Verbreitung unverheirateter Lebenspartnerschaften, die steigende Scheidungsrate und damit verbunden die steigende Anzahl unvollständiger Familien, die Aufschiebung der Elternschaft sowie die steigende Anzahl von Single-Haushalten. Das Privatleben wird überdies stark von äußeren Bedingungen beeinflusst, zu denen insbesondere die Sphäre der Arbeit und der Arbeitswelt gehört. Die neuen Bedingungen der Arbeitswelt, höhere Ansprüche an Intensität und Flexibilität und eine geringere „Absicherung“ durch den Staat können eine Bedrohung der bisherigen Integration der Gesellschaft und des sozialen Zusammenhalts darstellen.
Das erste, von Radka Dudová und Marta Vohlídalová verfasste Kapitel präsentiert die theoretischen Ausgangspunkte der Analyse sowie die bereits vorhandenen empirischen Erkenntnisse in diesem Bereich. Es handelt sich insbesondere um die zeitgenössischen soziologischen Theorien der Individualisierung der Gesellschaft, nach denen sich die heutige Gesellschaft gegenüber den vergangenen immer mehr individualisiert. Damit einher gehen Veränderungen von Partnerschaft, Familienleben sowie Erziehung und Elternschaft. Gleichfalls werden Theorien zur Veränderung der Arbeitswelt sowie zu den Auswirkungen dieser Veränderungen auf Frauen und Männer und auf das Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben vorgestellt.
Marta Vohlídalová und Hana Víznerová zeigen im zweiten Kapitel die aktuelle Gestalt der Arbeitswelt in Tschechien auf. Obgleich die Mehrheit der Beschäftigten in Vollzeitarbeitsverhältnissen mit festen Arbeitszeiten steht, wird ein wachsender Teil der Bevölkerung zunehmend mit neuen Formen und Risiken der Organisation des Arbeitsmarktes konfrontiert. Hierzu gehören vor allem der steigende Druck auf die zeitliche Intensität der Arbeit, die mit ganztägiger Abwesenheit von zu Hause verbunden ist, zunehmender Stress und physische Beanspruchung bestimmter Berufe; die negative Flexibilität der Arbeit zwingt die Beschäftigten dazu, sich nahezu „in letzter Minute“ den Anforderungen der Arbeit und des Arbeitgebers anzupassen, und letztendlich steigt auch die Unsicherheit des Arbeitsplatzes (befristete Arbeitsverhältnisse, kurzfristige Arbeit, unternehmerisches Risiko). Diese neuen Risiken betreffen verschiedene Bevölkerungsgruppen auf unterschiedliche Art und Weise, wobei am stärksten einerseits Arbeitnehmer mit geringer Bildung und niedrigen Löhnen betroffen sind, andererseits aber auch Arbeitnehmer mit hohem Bildungsgrad, die als Führungskräfte, im Management oder als Unternehmer tätig sind (wenn auch jede Gruppe auf andere Art und Weise).
Das dritte, von Radka Dudová verfasste Kapitel ist dem Privatleben in Tschechien und der Einstellung der Bevölkerung zu den verschiedenen Formen des Privatlebens gewidmet. Es zeigt sich, dass in der tschechischen Bevölkerung immer noch die vollständige heterosexuelle Familie mit biologischen Eltern bevorzugt wird. Junge Menschen planen in der überwiegenden Mehrheit Ehe und Kinder, was besonders junge Frauen betrifft, denen sonst so gern „egoistisches“ Verhalten vorgeworfen wird. Von dieser Norm weichen zwar manche ab, was jedoch nicht eindeutig auf Veränderungen der Arbeitswelt zurückzuführen ist.
Marta Vohlídalová zeigt im vierten Kapitel, das dem gegenseitigen Ineinandergreifen und der Vereinbarung von Berufs- und Familienleben gewidmet ist, die Tatsache auf, dass bei Beruf und Karriere von Paaren in der Regel das Berufsleben der Frau gegenüber der Karriere des Mannes benachteiligt wird. Es ist vor allem die Frau, die ihr Berufsleben dem Mann bzw. der Familie anpasst und sich einschränkt. Zu Ungunsten der Karrierewünsche der Frau spricht auch die Tatsache, dass die tschechische Gesellschaft auch hinsichtlich der Aufteilung (oder eher Nichtaufteilung) der Arbeiten im Haushalt immer noch sehr „traditionell“ geprägt ist.
Hana Hašková befasst sich im fünften Kapitel mit der Familienplanung von Frauen und Männern in Tschechien sowie mit den Faktoren, die diese beeinflussen. Die Erhebung deckt eine weiterhin bestehende Familienorientierung der tschechischen Frauen und Männer auf. Die überwiegende Mehrheit plant nicht nur selbst Elternschaft, sondern lehnt gleichzeitig die Wahl lebenslanger Kinderlosigkeit aus anderen als gesundheitlichen (ggf. ökonomischen) Gründen ab. Dennoch ist für die Zukunft von wachsender Kinderlosigkeit und besonders von einer steigenden Anzahl von Familien mit Einzelkindern auszugehen. Dies betrifft in erhöhtem Maße Familien von Frauen mit höherem Bildungsrad, die den Konflikt zwischen bezahlter Arbeit und unbezahlter Kindererziehung intensiver wahrnehmen (bzw. fürchten) als Frauen mit geringerer Bildung.
Im sechsten Kapitel widmet sich Hana Maříková der Analyse der Existenz von privaten und intimen Verhältnissen am Arbeitsplatz. Es zeigt sich, dass die Arbeitssphäre im Vergleich zur Familie für die Menschen ganz bestimmt nicht so bdeutsam und wichtig in ihrem Leben ist, sofern man das erklärte „Bedürfnis“ der Flucht von der einen in die andere Sphäre im Falle von Problemen bzw. Äußerung von Unzufriedenheit mit der persönlichen Stellung in diesen Sphären zum Maßstab nimmt. Die Arbeit, obgleich sie im Leben der Menschen wichtig ist und einen stark identitätsbildenden Aspekt aufweist, ersetzt bei den meisten Menschen nicht die Familie und enge soziale Beziehungen und Bindungen, die sich außerhalb des formalen Arbeitsraumes formen, und in diesem Sinne bleibt die Familie eine wichtige Sphäre der Nähe, des Austausches, der Intimität und des Vertrauens zwischen den Menschen.
Die Studie stellt insbesondere eine theoretische Grundlage des Projektes dar und bietet grundlegende empirische Feststellungen, die aus einer umfangreichen quantitativen Erhebung zu den Zusammenhängen zwischen Arbeitswelt und Privatleben hervorgehen. Als solche bietet sie unter anderem eine Informations- und Datenbasis, die für die Arbeit weiterer Gruppen und Institutionen genutzt werden kann. Gefolgt wird die Studie von einer Publikation der Ergebnisse qualitativer Untersuchungen, die an die hier angeführten Feststellungen und Analysen anknüpfen und tiefer in die identifizierten Problembereiche eindringen.
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