Sociologický ústav AV ČR, v.v.i.

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2002:12 Gruppenmentalitäten

Miloš Havelka, Milan Tuček, Jiří Černý, Jiří Česal, Marek Hudema

Der Sammelband von vier Studien widmet sich der Gruppenmentalität. In der einleitenden Studie sind die theoretischen Ansätze zur Abgrenzung des Begriffs der Gruppenmentalität und ein historischer Überblick über ihre Nutzung in der Soziologie zusammengefasst, und es wird eine Konzeption von Gruppenmentalitäten im Rahmen der Erforschung der Transformation postkommunistischer Gesellschaften entworfen. Grundsätzlich geht es um den Versuch einer Konstruktion idealer Typen von Mentalitäten im konkreten sozialen Raum. Es geht um Verfahren, die bislang in der Soziologie noch nicht ausgearbeitet wurden, mit der Absicht, das Konzept der Gruppenmentalitäten zur Erklärung bestimmter Spezifika sozialer Transformation in verschiedenen postkommunistischen Ländern zu nutzen.
Die nachfolgenden zwei Studien prüfen das Konzept der Mentalitäten mit Hilfe der Sekundär-Analyse einzelstaatlicher und internationaler Untersuchungen. Anhand der Ergebnisse einer Reihe von Analysen empirischer Daten, die hauptsächlich die Methoden der Faktor- und Cluster-Analyse nutzen, wird die Tragfähigkeit des Konzepts der Gruppenmentalitäten für das Verstehen sozialer Prozesse in der gegenwärtigen tschechischen Gesellschaft nachgewiesen.
Der Sammelband wird ergänzt durch eine Überblicks-Studie, die sich mit der Nutzung des Begriffs (nationale) Mentalität im tschechischen Raum seit der Zeit der nationalen Wiedergeburt beschäftigt.

Zusammenfassung

Im einleitenden Aufsatz des Sammelbandes wird eine Übersicht der Konzepte, Perspektiven und Lösungen der Problematik der Gruppenmentalitäten in der Soziologie gegeben, mit der Schlussfolgerung, dass der Begriff "Mentalität", gegebenenfalls der "Gruppen-Charakter", sich aus der Sicht des Forschers als mehrdeutig offenbart. Nichtzsdestotrotz lässt er sich nicht übersehen, geschweige denn bagatellisieren. Im Zusammenhang mit Analysen der Determinationen des Transformationsprozesses innerhalb einer langfristigen Perspektive ("path dependency"-Theorie) macht er uns auf Elemente der Kontinuität in Prozessen kultureller Veränderungen aufmerksam.
Gruppenmentalitäten kann man als einen besonderen kulturellen Filter für objektiven politischen und ökonomischen Druck begreifen, des weiteren als moralisches und intellektuelles Umfeld, in dem es zu einer Sedimentation universeller Ideen und partikularer Interessen kommt. Die Erforschung der Mentalitäten hängt gleichzeitig mit der Thematisierung der nationalen Identität zusammen, mit Diskursen über historische Selbstinterpretationen, aber auch mit der Durchsetzung verschiedenster Gruppen, die zusammen mit ihrer Erfahrung und ihrem Vorstellungsvermögen neue Charakteristiken in die gesellschaftlichen Veränderungen eingebracht haben.
In den folgenden zwei Beiträgen wurde das Konzept der Gruppenmentalitäten anhand von Daten aus empirischen Forschungen der letzten Jahre überprüft. Es ging um Ausdrucksformen von Mentalitäten von Gruppen, die durch die demographischen Charakteristika (Generation, Geschlecht) bestimmt waren, vor allem um Mentalitäten von Gruppen, die durch die häufig genutzte sozio-berufliche Kategorisierung EGP abgegrenzt wurden: Unternehmer, Selbständige, Fachleute mit Hochschulbildung, Fachleute mit mittlerem Bildungsgrad, nicht manuell arbeitende Arbeitskräfte für Routinearbeiten, qualifizierte Arbeiter, nicht qualifizierte Arbeitskräfte.
Anhand der aktuellen Erforschung von Werten und Einstellungen ("Aktér 2001, repräsentative Auswahl, Alter 18-60, Größe der Gruppe: 1518 Befragte) wurden mögliche Ausdrucksformen von Gruppenmentalitäten auf dem Gebiet der Lebensstrategien, in der Selbstbeurteilung der Fähigkeiten und Charaktermerkmale, der Lebens- und- Werteorientierungen, mit dem Ergebnis untersucht, dass die gemeinsame Abweichung sozio-beruflicher Gruppen eindeutig bestätigt wurde. Unter Verwendung der Daten aus der internationalen Untersuchung "Soziale Ungleichheiten 1999" wurde auf empirische Weise die übernationale Gültigkeit der Meinungsunterschiede zwischen den sozio-beruflichen Gruppen, die als Ausdruck von Gruppenmentalitäten interpretiert werden konnten, nachgewiesen.
Ein weiterer Ausdruck von Gruppenmentalitäten (nationale, geschlechtliche und generationsbedingte) war Gegenstand der Analyse der Daten aus einer internationalen Untersuchung in den mitteleuropäischen postkommunistischen Ländern, die sich mit der Haltung zur Familie, zur Ehe und zu den Eltern auseinandersetzte.
Der Sammelband wird ergänzt durch einen Überblick der Diskussionen über das nationale Wesen der Tschechen, so wie es sich in den Werken einer Reihe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens seit Beginn der nationalen Wiedergeburt widerspiegelt (literarisch - psychologischer Blick, historischer Blick auf die nationale Mentalität).

Schlüsselwörter:

Mentalität, Gruppenmentalität, Gruppencharakter, nationale Mentalität, nationales Wesen, "Das Tschechischsein", Autostereotypen, Heterostereotypen, Habitus