gelesen zu werden. Imitationen werden zu Symbolen und behindern das
Sehen der Welt. Man kann sie bereits nicht mehr dechiffrieren.
Je farbiger und größer eine Reklame ist, desto mehr entsteht die Illusion,
daß es um eine wirkliche Welt geht, je „echter“ die Gewalt auf dem
Bildschirm und der Bildschirm flacher ist, umso mehr werden wir mit
der Welt der Gewalt verbunden, umso platter ist unser Leben. Wirklich
ist nur das, was in der Farbe, Größe, der regelmäßigen Form entspricht
und was etikettiert und schön verpackt ist. So entfällt für uns die Sorge,
uns weiter damit beschäftigen zu müssen, alles wird einmal und für
immer chiffriert. Es steht uns, auf unseren Befehl hin, immer zur
Verfügung. Die Allwissenheit wird auf das Universum der Automaten
beschränkt, verwandelt sich in ein System von Bauklötzen, die
Gesellschaft verwandelt sich in Spielfiguren, von denen einige, wenn es
ihnen gelingt das Ziel zu erreichen, beobachten, ob alle Figuren beim
Spiel mitmachen, ob jemand schwindelt, ob jemand das Spielbrett
verlassen hat. Sie bewachen gut, vom Ziel können sie nich weggehen.
Die auf einen Automaten restringierte Welt wird in der Funktion dieser
Anlage beschrieben, jede Wirklichkeit der Welt ist so durch einen
Automaten ausdrückbar.
soll, was ernten und was er ißt. Wer abschreiben, wer laut vorlesen
kann, der muß nicht lesen und schreiben können, wer einen Automaten
bedienen kann, der muß nicht wissen wie der Automat funktioniert, er
muß ihn nicht verstehen, der weiß und ahnt nicht, was er eigentlich
macht. Er ist dann bezüglich der Anlage ein Analphabet, er ist nur
qualifiziert, einen Hebel zu bedienen oder Knöpfe zu drücken, er ist
selbst ein Knopf, ist programmiert.
Je einfacher es ist zu lesen, desto mehr Menschen lesen, je einfacher es
ist zu photographieren, desto mehr Menschen haben eine Kamera statt
eines Auges. Je einfacher es ist, einen Automaten oder Computer zu
bedienen, je „kleiner, leichter, billiger, ökologischer, leistungsfähiger“ er
ist, desto mehr wird er benutzt und geschätzt. Je einfacher der Computer
zu bedienen ist, umso komplizierter ist der Automat in seinem Inneren,
umso mehr Menschen verstehen ihn immer weniger. Summa summarum:
je mehr Menschen immer mehr sich freundschaftlich gebende
Automaten benutzen, umso mehr Menschen wissen weniger, was er
macht, umso mehr Menschen werden programmiert, sind Funktionen
des Automaten, leben wie ein Gerät des Automaten. Wo Bilder
dominieren, dort beginnt der Analphabetismus.
Das Verhältnis zwischen Text und Bild kehrt sich um. Den Text und
seine Anlage versteht man oft nicht. Das Bild begleitet nicht mehr den
Text, sondern der Text illustriert beleuchtet. Er ist der Schlüssel für seine
Dechiffrierung, für das „lesen“ des Bildes im Universum der technischen
Bilder. Ein alltägliches Beispiel ist die Reklame, das Bild der Reklame
verhext ihren Text, dieser verliert seinen eigenen Sinn und hat seine
bemerkt: Reklametexte, -slogans haben keine eigene Bedeutung, sie sind
nicht dafür bestimmt, um als Texte begriffen zu werden. Es kommt nicht
darauf an, daß sie von der Grammatik und der Bedeutung her
größtenteils falsch sind. Sie sind ein Zauberspruch, und ihre Bedeutung
ist darin verwurzelt, daß sie als Zaubersprüche funktionieren.
Während der ursprüngliche Zauberspruch, so wie er aus Märchen oder
der Mythologie bekannt ist, die Verhältnisse in der Welt ändert,
verwünscht der Zauberspruch des technischen Bildes die Verhältnisse im
Universum der technischen Bilder.
Ziel der Automaten ist es, automatisch zu funktionieren, unabhängig von
menschlichen Eingriffen, der Mensch soll aus ihnen ausgeschlossen
werden. Dies gelingt langsam aber sicher. Ziel der Automaten ist es, die
menschliche Fähigkeit, Einblick in sie zu haben, sie zu verstehen
auszuschließen. Die Maschine bedient nicht den Menschen, sondern der
Mensch bedient den Automaten. Wenn der Automat jeden Schritt des
Menschen voraussehen kann, dann kann man schon nicht mehr von
seinem Besitzer sprechen - die menschliche Entscheidung und sein
Benehmen finden auf der Grundlage von Automaten statt, die
menschliche Zielsetzung ist aus ihm verschwunden. Automaten haben
ein einziges Ziel: sich selbst zu perfektionieren und zu erhalten. Wer
bedient sie also? Wer bestimmt die Zielsetzung? Es geht um die
Interessen von Automaten, die mit Hilfe ihrer Funktionäre realisiert
werden.
spielen, so kann man die verhexte Welt verlassen.
[Eine Photographie hinter der Philosophie], Hynek 1995.
ii/ Ein solches Beispiel können wir in den ärmeren
(kamorristischen) Vierteln von Neapel beobachten
(Viertel der Wunder, Spanisches Viertel). In den Wohnungen im Erdgeschoß, die zur Straße
hin geöffnet
sind und die von den ärmsten Bewohnern ohne jede Bildung bewohnt werden, kann man
ganztägig
laufende Fernseher beobachten (oftmals zwei und mehr), die Bewohner dieser Wohungen nehmen
die
Fernseher jedoch als bewegliche Tapete wahr (vgl. z.B. B. Hrabal, Ozivená tapeta [die zum
Leben
erweckte Tapete], in: Sebrané spisy Bohumila Hrabala[gesammelte Werke von Bohumil Hrabal], Band
15: Domácí úkoly [Hausaufgaben], S. 104-105, Prazská imaginace 1995) und werden vom
Fernseher in
keiner Weise geprägt.