einer auf sprachliche Beschreibungen reduzierten Welt, bleibt die Moral
ohne Ethik.
Das Paradox ist ein charakteristisches Merkmal der Sprache; es ist das
Opfer, das wir bringen, wenn wir die Dinge beim „richtigen Namen“
nennen (die richtigen Namen sind tabu) und Meinungen als „richtig“
verteidigen wollen. Das, was benannt wird, verliert seine Fähigkeit,
Bezeichnungen und Aussagen zu treffen. Wenn etwas nicht ausgedrückt
wird, kann ein Paradox, bis auf eine Ausnahme, nicht entstehen.
Relative ethische Urteile kann man durch eine Situation charakterisieren,
unaussprechbare, ethisch absolute Urteile signalisieren oder mit einer
bestimmten Art einer „paradoxen“ Situation verbinden.i
Die Ethik ist das Fenster zur Welt.
Die Vision der Welt als Paradox ist nicht deshalb paradox, weil wir noch
keine richtige sprachliche Erklärung kennen, sondern deshalb, weil die
Nichtexistenz dieser sprachlichen Erklärung das Wesen dieser Vision ist.
Mit Hilfe dieser Vision kann man aus der Sprache heraustreten.ii
Die Ethik - die Vision der Welt als Paradox - erscheint so als einzige
Verbindung mit der wirklichen, vollkommenen Welt.
Das Paradox beinhaltet in sich keine Unmöglichkeit, es ist das Fenster
zur Wirklichkeit.
Wir beobachten Sterne, den Himmel, die Ameisen, Fische, das Gras, den
Mond und den Sand; wir hören ihnen zu und glauben, daß auch sie uns
zuhören. Es ist wahrscheinlich, daß sie es tun. Es ist gut möglich, daß sie
es nicht tun.
Nacht unter dem Sternenhimmel standen, fernab von den Menschen, fernab von der nächsten
Stadt oder dem nächsten Dorf. Demjenigen, der weiß wovon er spricht, werden sicher noch
weitere Beispiele ähnlicher Momente einfallen. Erinnern wir uns, daß man unsere Gefühle
in
dem Moment als „Staunen über die Existenz der Welt“ einkreisen konnte. Diese
Beschreibung, so widersprüchlich sie auch sein mag (staunen können wir auch über etwas,
was wir tagtäglich sehen, was sich für uns gleich darstellt, was nicht einmal anders
dargestellt
werden kann, in diesem Fall die Nichtexistenz der Welt), beschreibt die Erfahrung, die
Welt
als Paradox zu sehen. Für diese Situation, für diese Erfahrung, gibt es in der Sprache
keinen
Ausdruck, mit Ausnahme des paradoxen Staunens über die Existenz der Sprache an sich.
Derjenige, der in der Lage ist, diese Erfahrung erneut zu erleben, braucht keine
Definitionen
von Wahrheit und Gutem, er ist der Wirklichkeit am nächsten, er kann sich selbst
entscheiden. Siehe L. Wittgenstein, Lecture on Ethics, in: The Philosophical Review, LXXV,
1965.
i i/ Siehe L. Wittgenstein, Lecture on Ethics, in:The Philosophical
Review, LXXV, 1965.