heutigen Konstrukteuren von Mechanismen, welche so uniform (flächendeckend)
wie möglich sind, bei denen wir selbst im Moment, in dem der „Mechanismus“
eingeführt wurde, nicht unterscheiden können, ob sie vom Vorgehen (von einem
Regelwerk, dem Gang, dem Funktionieren) beim Verteilen von Geld sprechen, von
einem pneumatischen Hammer, von Regeln der Rechtschreibung, der Freiheit oder
der Zensur, und so können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß Macura
gemeinhin nur die Applikationen einiger allgemein bekannter Regeln erwähnte, um
das zu zeigen, was im allgemeinen Bewußtsein ist. Um zu beweisen, daß er sich
nicht von denen unterscheidet, die er ins Gebet nimmt. Solche „Mechanismen“
können allerdings verschieden sein. Genauso wie Mechanismen uneindeutig sind,
ist auch die Wirklichkeit uneindeutig, man kann sie mit verschiedenen
Beschreibungen charakterisieren; eine Voraussetzung für die Eindeutigkeit ist die
Einführung der Ideologie für beide Seiten. Sie setzen eine bestimmte
Betrachtungsweise der durch Worte beschriebenen Welt voraus. Mit dieser
Betrachtungsweise erscheint das Buch von Macura nur als Verkündung dessen,
welcher Seite er sich so brennend zuneigt. Dies reizt uns. Unter anderem auch
deswegen, weil, wenn wir Fidelius’ schwer zugängliches Buch nicht einrechnen,
ein sich mit dieser Problematik beschäftigendes Werk bei uns nicht erschienen ist.
Beispiele konkreter sprachlicher Mechanismen (diese sind von einer bestimmten
Ideologie wiederum unterlegt) finden wir zum Beispiel im Buch Language
as
Ideologyx ii .
Fügen wir noch einige Anmerkungen hinzu. Sprachliche Mechanismen erfordern,
ob es nun um die Logik der Sprache geht oder um die Regeln einer Komposition
und der Rechtschreibung, vor allem eine einheitlich genormte Realität, oder
zumindest ihren Vertreter uniformer Eigenschaften. Je besser eine Sprache
beschrieben wird, um so besser nähert sie sich der Realität an und wird gleichzeitig
von ihr unabhängig, verselbständigt sich, bis sie zuletzt völlig an ihr vorbeigeht.x i ii
Wie kommen hier nicht an Skalíceks Beispiel davon vorbei, wie bei dem
Wettbewerb der Imitatoren, der Imitierte, durch eine Unaufmerksamkeit auch
angemeldet, auf dem letzten Platz landete. Oftmals kommt es, in der Freude oder
der Verwunderung über eine funktionierende Regel, zu einer Verstärkung der
Wirklichkeit. Ein alltägliches Beispiel ist das Zusammenzählen oder Abziehen oder,
für diejenigen, die nicht rechnen, falsche Analogien. Auch eine gewaltsame
Änderung der Regeln kann eines der Beispiele für die Manipulation der Wirklichkeit
sein. Wir müssen nicht weit gehen, um Beispiele dafür zu finden, daß nicht droht,
was wirklich passiert, sondern das was wir mitbekommen. Auch das ist eine schöne
Illustration unseres Lebens außerhalb der Realität. Man kann nicht direkt auf
„Ereignisse“ reagieren, auf das was passiert, sondern muß zunächst alles den
Systemen von Konstruktionen und Etiketten unterordnen, erst dann ist eine
Reaktion möglich. Die Politik, auch wenn wir uns ihr mit gemischten Gefühlen
unterordnen, enthält nur noch die prägnantesten Beispiele. In einer solchen, mit
Hilfe von Mechanismen konstruierten (virtuellen) Welt funktionieren diese
Mechanismen und ihre Transformation. Die Welt verhält sich doch nach ihnen! Die
Sprache ist nun kein Sprachmittel zum Denken mehr, sondern eine Sprache, in die
man vor dem Denken flüchtet.
ii/ Ebda.
ii i/ Ebda, zweites Kapitel, Volk, Demokratie, Sozialismus
(Vorwort, das Volk und seine Aufgabe, die
Volksdemokratie, Alpha und Omega, Schlußbetrachtung), S. 19-98.
iv/ Vladimír Macura, Ot`astn_ ve4k, Pranská Imaginace, Praha 1992.
v/ Petr Fidelius, Jazyk a moc, Ark_r, München 1983, drittes Kapitel
„Pohádka o Stalinovi“ [Das Märchen
vom Stalin] im Kontext der damaligen offiziellen Propaganda, S. 101-158.
vi/ Ebda., S. 132-133.
vii/ Fidelius, S. 9-10.
ix/ Ebda, S. 168.
x/ Ebda., S. 165.
xi/ Siehe Ruzena Grebenícková, Nachwort, in: J. Lopatka, Radiojournal v
ko(s)mickém veku[Radiojournal
im ko(s)mischen Zeitalter], Praha, Klub Obratník 1994, S. 153.
xiiR.
Hodge und Gunther Kress, Language as Ideology, Routledge 1995, zweite erweiterte Auflage.
xii iDie
Sprache spiegelt unter anderem die soziale Struktur der Gesellschaft. Die Beschaffenheit
und die
Aufteilung der Macht, die Aufteilung und die Bindung sozialer Funktionen. Breite und
komplizierte, reich
gegliederte Gesellschaften enthalten immer verschiedene Untergruppen. Solche Gruppen
entwickeln oder
schaffen gemeinsam einen bestimmten Typ Sprache, der zur Verstärkung des Sinnes für die
Identität in der
Gruppe dient, der der Identifikation mit einer Gruppe dient oder außerhalb stehende
ausschließt. Solche
Sprachen werden Antisprachen genannt, sind Parasiten für andere Sprachen oder
Antisprachen. Ein anderes
Beispiel für eine parasitierende Sprache ist die Reklame, auch eine Reklame, die eine
andere Reklame
benutzt. Reklamen beziehen sich z.B. auf ein „geläufiges Waschmittel“, sprechen von
Weißerem als
Weißem, ihre Realität sind die Antisprachen der Untergruppen, auf die die Reklame
abzielt. Die Sprache
der sogen. „totalen Verwaltung“ (total administration) beruft sich auf die normierte
Sprache der Gesetze
oder auf die Antisprache der Opposition usw. Die Sprachen, auf die sich die Antisprache
beruft (dominante
oder normierte), sind auf Mechanismen begründet, man kann also auch der Antisprache einen
Mechanismus beiordnen, der sich auf die Mechanismen der ursprüngliche Sprache bezieht.
Die
Antisprache schafft eine virtuelle Antirealität. Siehe R. Hodge und Gunther Kress, Language as Ideology,
Routledge 1995.