Welt ist in der Auffassung der Medien ein globales Dorf, nur eine durch Bild und
Sprache enthüllte Welt kann ein Teil von ihm werden. Nur durch Transparenz wird
die Welt in einen funktionierenden Zustand gebracht.
Die mediale Vielfältigkeit der Sprache und der Bilder ist ein Art, die Dinge außerhalb
der Wirklichkeit zu begreifen („was ist eigentlich die Wirklichkeit?!“). Das, was die
Außenwelt als „Bildsymbolik“ betrachten kann, ist für die mediale Gesellschaft in
ihrer Vielfalt das wahre Bild der Dinge. Hier liegt auch der Ursprung des Vertrauens
gegenüber den Fernsehbildern.
Das Begreifen der Zeit ist unterschiedlich: die Medien sind allwissend (sie saugen
durch ihre Beschreibungen die Welt aus, außerhalb der medialen Beschreibungen
ist nichts), sie wenden sich nicht der Vergangenheit zu (das, was passiert ist,
geschieht auf dem Bildschirm erst heute und jetzt), ihre Wahrheit ist nur mit Hilfe
von weiteren, also den nächsten medialen Bildern überprüfbar (die sind jedoch
gerade aktuell, sie haben bereits die vergangenen Bilder verdrängt), ihre
Allwissenheit stellt sich also als Allwissenheit der Zukunft dar. Dadurch gewinnt sie
das Übergewicht über die Gegenwart.
ersten mal in Italien öffentlich über die Mafia im Fernsehen gesprochen (in der
Sendung Tribuna politicades italienischen Senders RAI).
Im Lichte der Institutionen und Medien wird die Wirklichkeit durch die Sprache,
das Bild bestimmt. Über was man nicht kohärent reden kann, worüber man keine
Meldung bringen kann, das kann man nicht definieren oder mit einer Kamera
aufnehmen, das ist nicht. Die Sprache oder die Kamera bestimmen so die
begreifbaren Muster der Wirklichkeit. Es ist nicht wichtig, ob man ihnen Glauben
schenkt, oder ob sie nicht ernst genommen werden. In beiden Fällen teilt der
Mensch die Überzeugung, daß sie Worte und die Bilder eine wiederholbare Realität
sind. Über die Wirklichkeit (die Wahrheit, die Moral) zu reden, verliert seinen Sinn.
Es beginnt die mediale Manipulation der Wirklichkeit.
Das Verhältnis der Wirklichkeit und der Sprache oder der Aufnahme wird so
umgestürzt, und beides wird auf die ursprünglich sprachliche Vision der Welt
restringiert. Zur Wirklichkeit wird von den ursprünglichen Beschreibungen,
Aufnahmen nur die geeignete. Das ursprüngliche, wirkliche Muster wird nicht nur
unnötig, sondern auch schädlich: im Hinblick darauf kann der Sprecher auf dem
Bildschirm nie die Wahrheit sagen, er ist zur Lüge verurteilt.
Wirklichkeit kann nur das bleiben, auf das wir uns berufen können, was
mechanisch unterscheidbar ist, was aufgenommen wurde. Nur dies kann in die
neue Realität eintreten. Die Wirklichkeit, die ursprünglich durch sprachliche
Ausdrücke betrachtet und herbeigerufen wurde (z.B. ein bestimmter Stil in der
Architektur, eine Bildaufzeichnung), wird nach und nach auf die Sprache (ein Stil in
der Architektur, eine Aufzeichnung) reduziert, wird durch sie voll charakterisiert,
kann durch den Stil völlig ersetzt werden. Damit die neue Wirklichkeit nicht
verloren geht, ist es nötig, sich anhand von ihr zu verhalten (es ist z.B. in der
Architektur nötig stilgetreu zu bauen, sich eine Meinung gemäß dem Fernsehen zu
bilden, nur die „Beweise“ des Fernsehens anzunehmen).
Real, wirklich zu sein heißt, sich an die Beschreibungen und Bilder zu halten -
diejenigen der Sprache. Das Verhältnis der Wirklichkeit und ihres Bildes, der
Sprache, wird umgestürzt. Die Wirklichkeit wird durch Beschreibungen und
Aufnahmen ersetzt, die ursprüngliche, beschränkte und damit manipulierte
Wirklichkeit wird zur Sprache.
Wer bis jetzt schwieg - der redet. Er beginnt zu reden und verliert gleichzeitig den
Ernst und die Ehre. Andererseits beginnt derjenige, der bisher auf dem Bildschirm
redete, zu schweigen und kann ernst genommen werden. Er bringt durch die
Benutzung der Sprache, dadurch, daß er nichts mitteilt, sein Verhältnis der
Übergeordnetheit zum Ausdruck, er kann alles sagen. Nur das, was ausgesprochen
zur Wahrheit werden, hat eine Chance wahr zu sein. Rispetto, Respekt - „das
Wissen“ und „die Schönheit“ - wird durch die Verwendung der Sprache geschaffen.
Das ist das Ende der sizilianischen Mafia. Die Mafia, die bis zu diesem Zeitpunkt
nicht gesprochen hat, beginnt in dem Augenblick, in dem die Sprache zur
Wirklichkeit wird und die restringierte Wirklichkeit zur Sprache, zu sprechen ohne
daß sie den Mund aufmacht. Sie hört auf die Mafia zu sein. Durch ihr Erscheinen im
Fernsehen verliert sie definitiv ihren Kampf. Zwei Welten - die Mafia und die
Medien - begegnen einander, erhalten eine gemeinsame Grundlage. Die Welt wird
so für die Mafia gestört, entleert, und man kann sie nicht wieder reparieren. Die
Mafia, l’onorata
societa, übernimmt ihre äußere Struktur als ihre innere und wird
zu einer Verbrecherorganisation. Nach ihr bleibt eine kriminelle Gemeinschaft.
Analogien der Mafia werden zu Symbolen im Fernsehen.
Im Mai 1996, drei Monate nachdem dieser Vortrag in Neapel gehalten wurde,
wird durch die Polizei einer der letzten Mafiabosse Giovanni Brusca
festgenommen. Er wurde aufgespürt, während er
normalen Besucher von Neapel oder Sizilien nur schwer zugänglich oder erkennbar) ist es
im Gegensatz
zum Rest von Italien möglich, das Auto offen zu lassen, die Häuser werden nicht
abgeschlossen usw. usw.
Falls doch etwas verlorengeht, so wird diese Sache dem Betroffenen bis zum nächsten Tag
mit
Entschuldigungen zurückgegeben. Um so mehr wächst jedoch die Kriminalität an Orten der
Grenze
zwischen der Macht des Staates und der Mafia.
ii/ Osip I. Senkovskij, Die sentimentale Reise auf den Berg
Ätna, in: Fantastická putování barona
Brambeuse[die phantastischen
Reisen des Barons Brambeus], Odeon 1985.
ii i/ Siehe z.B. Miroslav Petr{caron}íc{caron}ek jr., Moc
obrazu [die Macht der Bilder], in: Literární noviny,
Nr. 2, 1996.