Sociologický ústav AV ČR, v.v.i.

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2001:05 Lohn- und Einkommendifferenzierung in der Tschechischen Republik im Zeitraum der Transformierung

Jiří Večerník

Im ersten Teil werden die Lohn- und Einkommenuntersuchungen zur Darstellung der Änderungen in der Differenzierung der Erwerbe und deren Determinanten in der Tschechischen Republik im Zeitraum der neunziger Jahre genutzt. Zuerst beschäftigen wir uns mit den wachsenden Unterschieden und dem sinkenden Einfluss der demographischen Charakteristiken auf die Lohnhöhe. Weiter sammeln wir empirische Erfassungen aus verschiedenen Ländern, die eine steigende Analogie der tschechischen Lohnstruktur zu der Lage in den westlichen Ländern zeigen. Die Einführung der Marktwirtschaft führte zu einem wesentlichen Anstieg der Lohnunterschiede und das "kommunistische" Modell ihrer vorwiegend demographischen Bestimmung wird nach und nach durch das "kapitalistische" auf Bildung sowie weiteren wirtschaftlichen Charakteristiken beruhend Modell ersetzt. Analog gelangen anstatt der politischen Sonderrechte die Unterschiede der Eigentumssektoren in den Vordergrund. Die Spannweite und die Struktur der Verdienste nähern sich so dem Weststandard.
Im zweiten Teil nutzen wir die statistischen Untersuchungen der Haushaltseinkommen, die die Ermittlung der Systemänderungen in der Einkommenspannweite und den Einkommenfaktoren in den Jahren 1988 - 1996 ermöglichen. Zuerst machen wir auf die wachsenden, mit der Ermittlung der Einkommen im demokratischen Regime verbundenen Schwierigkeiten aufmerksam. Anschließend diskutieren wir die substantielle Bedeutung unterschiedlicher Einkommenindikatoren und deren Beziehung zur sozialen und wirtschaftlichen Lage. Weiter dokumentieren wir den Anstieg der Einkommenungleichheiten sowie das Verschieben von den demographischen Faktoren (Anzahl wirtschaftlich aktiver Mitglieder und Kinder, Alter) zu den sozio-wirtschaftlichen Faktoren (Bildung, Fachbereich, Beruf). Zum Schluss vergleichen wir die Lage in der tschechischen Gesellschaft mit den westlichen Ländern, um beurteilen zu können, in welchem Maße sich die Einkommenstruktur der Marktwirtschaft anpasste.
Im dritten Teil zeigen wir die Änderungen in der Rückverteilung auf dem Niveau einzelner Haushalte. Zuerst dokumentieren wir auf Grund der statistischen Einkommenuntersuchungen die Systemänderungen in der Umverteilung der Einkommen der Haushalte und seiner Determinanten in den Jahren 1988-1996. Nachher verfolgen wir den Kontext der Sozialstruktur sowie die Stellungnahme der Bevölkerung zu den Steuern und der Sozialhilfe, wobei wir schwaches, doch wachsendes Steuerbewusstsein in der tschechischen Bevölkerung feststellen. Zum Schluss setzen wir auf Grund des Vergleiches mit den OECD-Ländern Ausmaße und auch Wahrnehmungen des tschechischen Verteilungssystems in einen breiteren Kontext ein. Gleichfalls machen wir auf die methodologischen Probleme der Einkommenindikatoren aufmerksam und verfolgen die Begrenzungen aus den gegebenen Datenquellen hervorgehenden. Diese führen zu Fällen der Analyse, worauf wir beim Studium der Einkommenverteilung und auch der Umverteilungsflüssen stoßen.

ZUSAMMENFASSUNG

Mit Nutzung dreier großer Untersuchungen über die Einkommen der Haushalte, ergänzt durch verschiedene Lohn- und Soziologieuntersuchungen bieten wir ein Bild der Änderungen nach dem Jahre 1989 in der Tschechischen Republik an, soweit es sich um die Lohnstruktur, die Einkommenverteilung der Haushalte sowie die Umverteilung durch Steuern und Sozialhilfen handelt. Unsere Ambition ist nicht nur die Änderungen in den Unterschieden zu untersuchen, sondern auch die qualitativen Änderungen in der Verteilung sowie das System der Einkommen zu studieren. Wir beachten gleichfalls die methodologischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Einkommen und erwägen, in welchem Maße die Einkommenindikatoren den Charakter des politischen Regimes und des Wirtschaftssystems reflektieren. Im Vergleich mit den westlichen Ländern zeigen wir, in welchem Ausmaße sich die Struktur der Einkommen in der Tschechischen Republik dem Marktsystem angepasst hat.
Wir stellten fest, dass die Ungleichheiten der Einkommen zwischen den Jahren 1988 und 1996 wesentlich anstiegen. Dieses Wachsen war dabei markanter bei den Einkommen pro Person als pro Haushalt. Das Anwachsen der Ungleichheit wurde dabei meistens durch ein schnelles Vorwärtsrücken der höchsten Dezilgruppe verursacht. Die Einkommenhierarchie blieb an ihrem Boden fixiert, offen in Richtung nach oben, allerdings in der Mitte gedrückt. Gleichzeitig gab es bedeutsame Verschiebungen in der Zusammensetzung der niedrigsten Einkommengruppe. Während im Jahre 1988 die Rentner die niedrigste Dezileinkommengruppe besetzt hatten, verschoben sie sich in den Bereich der niedrigeren Mitte, wobei ihre Stellung teilweise die Familien mit Kindern einnahmen. Gegenwärtig werden die Einkommen der Haushalte durch demographische Variablen viel weniger bestimmt als in der Vergangenheit. Bis zur Gegenwart wurden allerdings die demographischen Charakteristiken nur teilweise durch die Charakteristiken des Arbeitsmarktes ersetzt (wo wir aber nicht mehrere Daten zur Verfügung hatten).
Die Tschechoslowakei wurde vor dem Jahre 1989 durch eine wesentliche Lohnnivelisierung charakterisiert und im Rahmen der gegebenen Differenzierung dann durch ein Überwiegen demographischer Züge Einzelner (Geschlecht und Alter) über deren Marktcharakteristiken (Fachkenntnisse und Beruf) in der zwangsläufigen Bestimmung der Verdienste. Parallel dazu wurden so manche Fachbereiche (Bergbau, Hüttenwesen, Schwerindustrie) bevorzugt und ausgewählte Beschäftigtenkategorien (die Spitze der Staats- und Parteibyrokratie, Armee- und Polizeioffiziere) privilegiert. Nach dem Jahre 1989 drehte der Transformierungsprozess diese sämtlichen Tendenzen um und begann die stabilisierte Verdienststruktur zu ändern. Der Gesamtbereich der Lohndifferenzierung vergrößerte sich und das Altersprofil der Verdienste verflachte wesentlich. In der Fachbereich-Differenzierung wurde die vorige Tarifbewertung im wesentliche Maße - obwohl längst nicht vollständig - durch Marktunterschiede ersetzt.
Nach dem Jahre 1989 vergrößerte sich auch wesentlich der Umfang der Ungleichheiten in den Haushaltseinkommen. Die Einkommen-Hierarchie blieb unten fixiert und in Richtung nach oben offen, was zu einer Reduktion des Einkommenanteils der mittleren Kategorien führte. Die Haushaltseinkommen sind heutzutage viel weniger durch demographische Variablen bestimmt, wobei sich die Bedeutung der Arbeitscharakteristiken erwachsener Familienmitglieder erhöhte. Die Position der nicht manuellen und gebildeten Beschäftigten verbesserte sich, wohingegen die Belohnungen der manuellen und weniger gebildeten Beschäftigten sanken. Die sich ändernde Einkommenstruktur stellt einen Teil des allgemeinen Trends dar, der die Tschechische Republik in den Kreis der Standard-Markt-Länder führt. In der Gliederung nach den Einkommen auf den Haushalt sind die Unterschiede bei uns ständig größer als in den westlichen Ländern. Demgegenüber erreichten die Unterschiede bei den Einkommen auf eine Person das Niveau der sozialfreundlichen westlichen Ländern (Belgien und Schweden).
Was die Umverteilung betrifft, nimmt der Staat heute den Haushalten mehr weg und gewährt ihnen weniger als ehemals. Die Anzahl der Kinder ist nicht mehr ein Vorzugsfaktor bei Steuern und Sozialhilfe wie es im kommunistischen Regime war. Anstatt dessen wird das Einkommen des Haushaltes der Hauptfaktor der Steuer sowie ein wichtiges Kriterium der Sozialhilfe. Gleichzeitig verstärken sich dabei die Rückverteilungsflüsse, mag dies infolge der Steuerreform sein (die die Progressivität der Versteuerung vertiefte) oder der Sozialreform (die die Sozialhilfe konkreter machte). Die nivelisierende Intervention des Staates, die die Haushalte mit sehr kleinen Einkommen unterstützen will (zum Nachteil der mittleren Klassen), zeigt sich verhältnismässig bedeutsam im Vergleich mit den westlichen Ländern, in denen das Maß der Umverteilung hoch ist. Trotz stufenweiser Anpassung der Einkommenstruktur repräsentiert der heutige Stand ein Gemisch aus dem ehemaligen Regime, aus Übergangscharakteristiken sowie dem Zielsystem.

SCHLÜSSELWORTE

Lohndifferenzierung, Haushaltseinkommen, Rentabilität der Bildung, Steuern und Sozialhilfe, Marktanpassung in der Tschechischen Republik.