Oddělení pro komeniologii a intelektuální dějiny raného novověku

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Summaries of Acta Comeniana 17 (XLI), 2003

Guido Giglioni

Die Dunkelheit der Materie und das Licht der Natur.
Materienbegriffe bei Bacon und Comenius und ihre theologischen Auswirkungen

Dieser Aufsatz widmet sich Francis Bacons hylozoistischen Betrachtungen der Materie, ihrer Rezeption in Comeniusʼ Werken, sowie den theologischen Auswirkungen ihrer jeweiligen Theorien. Lord Chancellor entwickelte nicht nur einen neuen methodologischen und rhetorischen Apparat für das Studium der Natur, er erarbeitete darüber hinaus auch eine ausgereifte Naturphilosophie, basierend auf der Annahme, dass die Materie ein belebtes und flexibles, mit natürlichen Neigungen und Willen ausgestattetes Substrat ist.
Historiker, die sich mit dem Schicksal dieser Idee befassen, werden über die scheinbare Tatsache verwundert sein, dass Bacons Hylozoismus auf der einen Seite grundlegend und offenkundig war, auf der anderen Seite aber selbst unter denjenigen, die sich als Nachfolger Bacons bezeichneten, kaum Auswirkungen hatte. Es mögen Zweifel angebracht erscheinen, ob seine Ansichten der Materie als lebende Entität tatsächlich so geringen Nachhall fanden. Eine vollständige Antwort dieser Frage würde eine lange und detaillierte Untersuchung erfordern, die eher archäologischer als analytischer Natur wäre. Die folgende vergleichende Analyse des Materienbegriffs bei Bacon und Comenius liefert demnach einen ersten Beitrag zur Wiederentdeckung abweichender Aneignungen der Naturphilosophie Bacons. Obwohl Comeniusʼ Theorien das offenkundige Beispiel einer auf baconischen Richtlinien basierenden Naturphilosophie darstellen, basiert seine Doktrin der universellen Belebtheit nicht auf Bacons Begriff einer belebten und appetitiven Materie. Comenius war sich bewusst, dass die Annahme eines universellen Lebens der Materie die theoretische Voraussetzung für eine operative Auseinandersetzung mit der natürlichen Welt sein konnte. Er entschied sich allerdings für den theologisch sicheren Weg des Panpsychismus, in dem Vorsehung die grundlegende Rolle spielt. Nachdem er Bacons Urmaterie von ihrem lästigen Urappetit gesäubert hatte, pfropfte Comenius die baconische Doktrin von primären Bewegungen und materiae plica auf die traditionelle (d.h. platonische und aristotelische) Ansicht über Materie, Form und Natur. Dabei löschte er (wie andere progressive und soziale Baconianer seiner Zeit) nicht nur die spekulativen Versprechungen des vitalen Materialismus aus, sondern neutralisierte auch die radikalen Folgen Bacons theologischen Vorschlags: die Wiedergutmachung der natürlichen Produktivität des blinden Zufalls durch das Konzept der Vorsehung als göttliche Manipulation und, komplementär dazu, das Ende des ehrwürdigen physiko-theologischen Gottesbeweises. Hylozoismus, die Trennung des Wissens über Zwecke vom Appetit, die Abkopplung des menschlichen Zweckverhaltens von der Teleologie der Natur, sowie die politische Verwendung der Vorsehung waren vier der innovativsten Aspekte im Denken Bacons, die ihr vollständiges Potential in der Entwicklung wissenschaftlicher und philosophischer Ideen des 17. und des 18. Jahrhunderts erst noch zeigen würden. In dem sie Bacons unorthodoxe Ansichten über Materie, Natur und Vorsehung innerhalb eines traditionellen theologischen Rahmens umformulierten, trugen Comenius und die Baconianer rund um Hartlib maßgeblich zum Vergessen Bacons Naturalismus bei und beschleunigten einen Prozess, der unter mechanistischen und experimentellen Philosophen bereits eingeleitet worden war. Damit brachten sie die Neuformulierung des Verhältnisses zwischen Naturphilosophie und natürlicher Theologie, die von Bacon durch seine Theorie des blinden Appetits der Materie initiiert wurde, zum Halt.

Julian Kümmerle

The Profiles of Lutheran Scholar Families: Comparative Study in Social, Confessional and Educational Formation of Early Modern Scholarly Culture

This study outlines the important role of the three Lutheran scholar families Andreae, Bidembach and Osiander for the educational, religious and social history of the Duchy of Württemberg in the Holy Roman Empire between the 16th and 18th century. For generations representatives of these families occupied leading positions at universities, schools, in the church, at the ducal court and in the administration of the territory. The permanent and dominant role of these Lutheran scholar families was based on strategic marriages between members of close scholar families. Patronage by relatives and clients was another important factor for the history of their advancement in early modern times. Particularly emphasized is the self-awareness of the scholars as members of their families. Their history is analyzed as an example of scholarly culture which becomes clearer through the interpretation of various documents

Jaroslav Miller

Vom Eroberer zum Märtyrer: Die protestantische Propaganda und der pfälzische Mythos im England der frühen Stuart-Zeit

Die Studie analysiert den Charakter und die Entwicklung des pfälzischen Mythos in England unter Jakob I. Stuart, wobei die Argumentation zwei Hauptlinien folgt. Erstens wurde das öffentliche Bild Friedrichs von der Pfalz im Rahmen der nationalen, durch Elisabeth I., Phillip Sidney und Heinrich Stuart verkörperten protestantischen Mythologie entworfen. Zum Zweitens stellte der pfälzische Mythos Friedrich und Elisabeth von der Pfalz nicht als Verteidiger der reformierten Kirche gegenüber den Kräften des Katholizismus dar, sondern als Eroberer und Vertreter der militärischen Aggression der protestantischen Welt gegen die römische Religion und gegen die Habsburger. Nach der Schlacht am Weißen Berg und dem Verlust der pfälzischen Erbländer kam es jedoch bei der Präsentation des pfälzischen Fürstenpaares zu einer logischen Verschiebung vom Eroberer-Mythos hin zum Märtyrer-Mythos.
Im Rahmen des Textes werden die Hauptargumente mit Hilfe einer Analyse der politischen Ereignisse jener Zeit sowie anhand der Untersuchung von Bildmaterial, panegyrischen Texten und gedrucktem Propagandamaterial dargestellt. Die Problematik der Organisiertheit bzw. Spontaneität der propfälzischen Propaganda in England, ihre Auswirkungen auf die englische Gesellschaft und schließlich die Reaktionen des englischen Hofes auf die öffentliche Propagierung eines direkten militärischen Eingreifens in europäische Angelegenheiten unterzieht die Studie in diesem Zusammenhang einer kritischen Prüfung.

Hans-Joachim Müller

Die Dimensionen der religiösen Toleranz in Comenius' Irenismus (1642–1645)

Der Autor beschreibt die Haltung des Comenius zur Toleranz anhand der Untersuchung seiner irenischen Tätigkeit und seiner irenischen Schriften in der Zeit von 1642–1645. Er mißt dem Chiliasmus als einer mentalen Voraussetzung für die Grenzen und Möglichkeiten der comenianischen Toleranz besonderes Gewicht bei.
Die „kleinen irenischen Schriften" aus dem Jahre 1643 für den späteren Konvertiten Bartholomäus Nigrin zeigen die weitestgehende Interpretation von Toleranz bei Comenius in dieser Zeit: Toleranz als die Anerkennung von verschiedenen Einzelwahrheiten, die unabhängig voneinander alle ihre eigene Existenzberechtigung haben. Unter geänderten Kommunikationsituationen und dem Einfluß von dualistisch gefärbten Prophetien und seiner persönlichen Erfahrungen wird dieser Pluralismus zugunsten der einen Wahrheit, die auf Seiten der Protestanten steht, aufgegeben. Toleranz ist in dem innerprotestantischen Strategiepapier De Colloquii Thoruniensis apparatu aus dem Jahr 1645 nur noch ein relatives Gut und bedeutet Duldung der Meinungen, mit denen man eigentlich nicht einverstanden ist. Dieses Janusgesicht der Toleranz bei Comenius spiegelt die Offenheit des Begriffes und auch seines Inhaltes in dieser Zeit wider: Comenius steht an der Schwelle zur Neuzeit: Einerseits ist er noch in der alten Bedeutung als „Duldung" verhaftet, andererseits deutet er aber auch schon seinen neuen Inhalt als „Anerkennung" an und weist damit weit in das kommende Jahrhundert hinein. Die Formen seines heilsgeschichtlichen Denkens bestimmten beides: die Möglichkeiten aber auch die Grenzen seiner Toleranz.

Albert Kubišta

Jesuit polemics against the Unitas Fratrum: controversial theology in the Czech Lands around 1600

The spread of religious polemics in the 16th and 17th centuries is linked to improvements in printing, which made it possible to produce not only polemics but also responses to them in a relatively short time. To a certain extent, the polemical debate assumed the character of a dialogue. An example of such an exchange in the Czech Lands is provided by that between the Jesuits and the Unitas Fratrum in the last quarter of the 16th and early 17th centuries. While polemical tracts against the Brethren had appeared in Bohemia and Moravia previously, they attained a new quality with the coming of the Jesuits. The latter brought with them to Bohemia a new mode of polemicisation based on the model of polemic theology, originally created for polemics against the Lutherans in the Empire. The first group of Bohemian Jesuits and their sympathisers (Václav Šturm, Václav Brosius, Baltasar Hostounský etc.) adapted this model to the situation in the Czech Lands. Given that the Unitas Fratrum was still an illegal church, polemic tracts against them represented no great risk for the Jesuits, while still affecting that part of society which was most resistant to the increasing re-Catholicisation. While Sturm in his texts attempts to address the broader public, the responses of the Brethren are somewhat defensive, and fortify their members and sympathisers in their faith. In this article the author considers not only the theoretical background to the polemics, but provides brief citations to characterise their style of argument.

Petr Glombíček

Die Rolle der Skepsis in den Meditationen René Descartesʼ

Der Autor wendet sich gegen die landläufige Darstellung der Rolle skeptischer Argumente bei René Descartes. Dieser Auffassung zufolge eignete sich Descartes diese Argumente an, um zu zeigen, dass sein eigenes philosophisches System auch vor ihnen Bestand hat. Der Autor stellt dieser Sichtweise seine Darstellung der Meditationen als ein literarisches Werk, für das die Distanz zwischen Autor und Erzähler charakteristisch ist, entgegen. Dieser Auffassung zufolge stellt Descartes als Autor anhand der Überlegungen des Erzählers die skeptischen Einwände dar, die in dessen naivem Empirismus ihren Ursprung haben. Da sich der Erzähler mehrmals in Widersprüche verstrickt, geht Descartes davon aus, dass sein gebildeter Leser damit über genügend Anhaltspunkte verfügt, um dieses Auseinandertreten von Autor und Erzähler zu durchschauen und so anhand der wackeligen Argumente des philosophischen Anfängers, der die Meditationen erzählt, in einem unreflektierten transzendentalen Realismus die Quelle des philosophischen Skeptizismus erkennen zu können.

Olga Fejtová

Literary culture in seventeenth-century Nuremberg

For the whole of the Early Modern period, Nuremberg was not only an important European centre of book printing, but also a centre of trading activity linked to books, and the nascent distribution of books even in the Bohemian milieu. It was through this city that the greater part of the transport of foreign titles to the Bohemian book market was accomplished, even in the post-White Mountain period, when the book trade was affected by the differences in confessional development between Nuremberg and the Czech Lands. In the 17th century Nuremberg saw the printing of several works by Czech authors, and in the first half of the century Bohemian themes came into favour, particularly in the local printing of news.
This study attempts to analyse the character of the burgher readership in Nuremberg and its possible relationship to the high level of local print production, the system of education – encompassing the full range up to university level – and last but not least the rich cultural life of the city, which included one of the largest city libraries in the German-speaking world.
A sample of the burgher library owners (56) and a group of catalogues of the libraries of the Nuremberg patricians (41) was evaluated, mainly on the basis of surviving property inventory lists. In the case of the burghers, interest in books remained stable during the 17th century. Books could be identified in around 41% of households – in most cases libraries of average or above-average size, dominated by Lutheran religious literature, the proportion of which increased continually as the century advanced. A whole third of the religious titles were prayer books. In the limited amount of secular literature, the burgher reader preferred historico-political titles concentrating on the region. It was not possible to demonstrate the dependence of the creation of libraries on the socio-economic context of their owners. One of the problems is the fact that their value was commonly some 1–3% of the total value of the property.
The collection of libraries belonging to the Nuremberg patricians contained mainly above-average and exceptionally large collections, in which secular literature predominated (accounting for 81% of the contents). Their cores comprised works of historico-political orientation, natural sciences, philosophy and law. Among religious titles there was a preponderance of Lutheran works, but other confessions found their way into the patrician collections.
A comparison of the level of the private burgher libraries in Nuremberg with the standard in other German-speaking cities and in the towns of Prague indicates the rather sub-standard quality of the local book collections. First of all in their content, but also in their frequency of occurrence, they ranked behind those of far smaller towns on the edge of the countryside. The only exceptions were the extraordinary collections possessed by the Nuremberg patricians.

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