ist die Berechnung!
Während die Mathematik der Antike mit Hilfe von festen Formen
lebendige Gegenstände beobachtet, so werden z.B. Himmelsobjekte
durch Verhältnisse gleichzeitig mit ihrer Umlaufbahn erfaßt, sieht und
konstruiert die moderne Mathematik durch dynamische Strukturen tote
Gegenstände, erfaßt lediglich einen Teil des Objektes.
Nichtsdestoweniger verkündet die Mathematik am Ende: die Mathematik
als Wissenschaft, die sich mit sich selber befaßt, endet in einer
Sackgasse. Durch die Mathematik selbst kann man nicht einmal
entscheiden ob dieses Ergebnis in der Mathematik gilt: ich weiß, daß ich
nichts sicher wissen werde. Die Mathematik, die an ihrem Anfang
vollständige Aussagen trifft und später absolute Aussagen treffen möchte,
ist letztendlich nur eine relative Wissenschaft (im Hinblick auf die
Gesamtheit der Axiome, falls diese Gesamtheit unzweifelhaft ist). Der
Mathematiker endet mit seinen Berechnungen und konstruiert
Automaten. Es wird zum modernen Architekten.
sie deutet durch Konstruktionen die Welt, sie erschafft Imitationen der
Welt. Die Architektur hat eine Beziehung zu den anderen
Wissenschaften, sie dienen ihr als Mittel zu ihrem Ziel. Sie steht damit am
entgegengesetzten Ende als die Mathematik.
Die Architektur gibt leerem Raum eine Form, füllt ihn aus und hinterläßt
so eine Spur. Sie macht den unsichtbaren Raum sichtbar, sie
kennzeichnet ihn und ermöglicht es so, ihn zu begreifen. Sie gibt dem
Raum Form und Namen. Sie benennt den Raum auf der Grundlage von
Proportionen. Sie baut also auf der Grundlage von Stufen. Auf diese
Weise dient der Raum zum Ausüben von Ritualen, von sich
wiederholenden Tätigkeiten, deren Ziel die Herstellung von Ordnung ist,
also die Herstellung entsprechender Proportionen. Sie ist Sprache. Die
Sprache der Architektur erschafft, enthüllt in einem leeren Raum die
Welt.
Die Architektur ist begründet auf numerischen Verhältnissen. Sie ist
darauf begründet, was „ins Auge fällt“, sie ist Harmonie zwischen Zahlen,
sie kann als analogische Betrachtung der Welt erscheinen, wir können
sie als erstarrte Musik betrachten.
Die Architektur ist somit, auf ihre Weise, eine Weltanschauung, sie kann
die Welt enthüllen, sie zeigen.
Die Bauten der Architektur, zuerst die Kirchen, später die Häuser, dienen
der Ausübung von Ritualen, von regelmäßigen Wiederholungen der
selben Tätigkeiten, die einen bestimmten Zweck haben.
Das Treppenhaus bestimmt die Richtung in einem unausgefüllten Raum
und auch die Aufteilung des Raumes in verschiedene Teile, es ist die
Achse des Rituals, es bestimmt die Proportionen der Tätigkeit.
Schaden - nicht aus dem Weg gehen. Ist jedoch die Musik Sprache?
Spricht sie zu uns? Falls sie etwas aussagt: was ist es?
Der Musik entspricht die musikalische Komposition. Es geht um eine
Vereinfachung, die es uns ermöglicht, auf der Grundlage ihrer
Aufzeichnung Aussagen über die Musik zu treffen, sie ermöglicht ihre
Aufzeichnung in Noten, ihre akustische Aufzeichnung oder
gegebenenfalls eine andere Aufzeichnung, sie bestimmt Anfang und Ende
und zuletzt die Struktur der musikalischen Komposition. Diese
Vereinfachung ist ein Kompromiß. Ein Kompromiß, der es uns
ermöglicht darüber zu sprechen, worüber man nicht sprechen kann. Er
überträgt die Sprache der Musik in Sprache. Er unterlegt der Musik eine
Aussage, der ihr nicht eigen ist; oftmals liegt er völlig neben ihr.
Die musikalische Komposition, ihre Niederschrift in Noten, Linien, kann
auf verschieden Weisen interpretiert werden: freie Tempi, musikalische
Dynamik, Tonqualität, Phrasierung usw. usw. Die Eigenschaft der
musikalischen Komposition ist unter anderem, daß sie auf verschiedene
Weisen interpretierbar sein muß. Jede musikalische Komposition kann
durch ihren Rhythmus und ihre Melodie charakterisiert werden. Wenn
kein Rhythmus ist, ist keine Melodie, wenn keine Melodie, Gesang ist,
kann man schlecht von Musik sprechen.
Wenn wir vorerst die Frage des Inhaltes und der Bedeutung der Melodie
beiseite lassen, können wir sagen, daß der Rhythmus die Form der
musikalischen Komposition organisiert. Die Grundlage des Rhythmus ist
die Wiederholung der der Form (ähnlich wie der Reim bei einem Vers).
Der Rhythmus, er charakterisiert die lineare, diachronische Führung der
musikalischen Komposition, er ist gänzlich auf numerischen
Verhältnissen begründet (es hat keinen Sinn zwischen „wie“ und „wie
groß“, zwischen Größe und Qualität zu unterscheiden). Er ist darauf
begründet, daß was „den Körper bewegt“ Proportionen sind, Harmonien
zwischen Zahlen. Der Rhythmus kann so als analogisches Sehen der Welt
scheinen, das durch die körperliche Erfahrung von Proportionen
vermittelt wird. Die Wiederholung, die die Grundlage des Rhythmus ist,
funktioniert ähnlich wie eine magische Formel: der Rhythmus, also die
Verhältnisse, stellen sich nach und nach auf den Platz der Welt. Man
kann die Welt auf dem Podium vorführen. Oder auf der Straße.
Der Rhythmus ist so - auf seine Weise - eine Art der Weltanschauung. Es
kann ein Gespräch über die Welt entstehen. Der Rhythmus einer
musikalischen Komposition kann auf diese Weise die Welt enthüllen, sie
zeigen. Er kann jedoch auf die selbe Weise die Welt verhüllen. Man kann
hier nicht vorbei an der Weltanschauung der Musik als göttlich oder
teuflisch.
Je mehr wir den Rhythmus für die Sprache benutzen, um so weniger
kann man das hören, was der Rhythmus vorführt.
Der Musiker und der Zuhörer können einander verstehen, sie können
einander nicht verstehen, sie können hören und spielen in dem
einseitigen oder gemeinsamen Irrtum, daß sie einander verstehen oder
diese Weise die Welt enthüllen, sie zeigen. Sie kann jedoch auf dieselbe
Weise die Welt verhüllen.
Die richtige Antwort auf einen „fehlerhaft“, „ungünstig“ gespielten Takt,
Rhythmus ist ihn so zu spielen, wie er „richtig“, „günstig“ ist. Ansonsten
ist das Gespräch zu Ende. Erst dann können wir beispielsweise ermitteln,
daß man so nicht spielen kann (das Instrument erlaubt es nicht, der
Musiker kann es nicht, der Zuhörer hört nicht), oder daß so nur
derjenige spielen oder hören kann, der dazu fähig ist.
Ähnlich ist es, wenn wir den Rhythmus der musikalischen Komposition
nicht verstehen (wenn wir ihn nicht trommeln, spielen können), wenn
wir diesen Teil fehlerhaft imitieren. Wir erwarten, daß er richtig
vorgeführt wird.
Das richtige Bejahen des Rhythmus ist zusammenzuspielen: ja, ich höre
(sehe, fühle) es auch so. Mit anderen Worten: ich sehe (höre) in dieselbe
Richtung.
Neben dem Verständnis durch den Rhythmus haben wir eine
gemeinsame Sprache gefunden, kann eine Verzauberung durch den
Rhythmus entstehen: der Zuhörer (aber auch der Musiker) verstummt
nach und nach - dies ist eine wichtige Voraussetzung, damit er überhaupt
hören (sehen) kann - und beginnt sich wirklich, oder zumindest im
Geiste, zu bewegen.
Ruhe und Bewegung: darin liegt die musikalische Verzauberung durch
den Rhythmus. Der verhexte Zuhörer wird in einem bestimmten Maße
seines eigenen Willens entledigt, wird erneut in die Welt der Zahlen und
Verhältnisse gezaubert. Er verhält sich nach dem, was die Musik vorstellt,
was sie mitteilt. Eine Folge der Emotion, also der Bewegung, kann, aber
muß nicht das Sentiment sein.
kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden: freie Tempi,
musikalische Dynamik, Tonqualität, Phrasierung usw. Eine Eigenschaft
der musikalischen Komposition ist unter anderem, daß sie auf
verschiedene Weisen interpretierbar sein muß.
Die weiter oben angeführten Arten der musikalischen Interpretation sind
jedoch in einem bestimmten Maße oberflächlich und unvollständig; sie
sind charakteristisch für eine melodische, also lineare, diachrone
Führung der musikalischen Komposition. Das ist einer der seltenen Fälle.
Die Komposition umfaßt daneben ihre vertikale, synchrone
Zusammensetzung; diese ist die musikalisch-harmonische Seite, z.B. eine
gegebene Vierstimmigkeit: sie hat an sich keine richtige Bedeutung, ist
interpretierbar im Hinblick auf ihre Gestalt und Unähnlichkeit zum
Vorausgegangenen und Folgenden. Dennoch beinhaltet die gegebene
musikalisch-harmonische Funktion in sich die Melodie - andererseits
kann die Melodie die gegebene harmonische Funktion kodieren, d.h.
bestimmen; sie umfaßt auch eine mögliche vorausgegangene oder
folgende harmonische Funktion.
Die musikalische Harmonie ist völlig auf numerischen Verhältnissen
begründet: „Jegwelche Schönheit der Musik ergibt sich aus den Zahlen,