die es erlauben, die Stimmen mit Genauigkeit zu messen. All das, was an
den Rhythmen verführerisch ist, ob in der Melodie oder in
verschiedenen Tempi, ist gänzlich ein Werk der Zahlen.“Sie ist darauf
begründet was „ins Ohr geht“, ist ein Einklang zwischen Zahlen. Die
Musik kann so als ein analogisches Sehen der Welt erscheinen. Die Musik
der Sphären kann man auf dem Podium verführen, wenn wir uns an die
Regeln der Harmonie halten.
Jede lineare Führung einer musikalischen Komposition ist in der
harmonischen, vertikalen Zusammensetzung der Komposition enthalten.
Eine willkürliche Harmonie ist jedoch gänzlich auf der Grundlage der
Verhältnisse in einem willkürlichen Ton, immer im Hinblick zur
gegebenen Tonart beinhaltet. Jede Komposition ist so auf ihre Art in
einem, willkürlichen Ton beinhaltet. Dieser enthält alle möglichen
Verhältnisse.Wer gut hört, kann in einem Ton jegwelche Komposition
hören, wer gut hört, kann in einem Ton die ganze Welt hören. Dieser ist
auf der Grundlage der Proportionen in jedem hörbar gespielten Ton für
den Zuhörer voll enthalten: „Das gleiche System, das den Gleichklang der
Stimmen lenkt, wirkt auf die Natürlichkeit der Sterblichen... die gleichen
numerischen Beziehungen, die den Gleichklang lenken, lenken auch den
Gleichklang der Seelen und Körper, lenken auch die Verbindung
gegensätzlicher Elemente und die ewige Harmonie des Universums.
Die ganze Welt ist in einem willkürlichen Ton enthalten - wegen der
menschlichen Unvollkommenheit muß sie physisch, durch den
Rhythmus, übertragen werden.
Die musikalische Komposition ist so - auf ihre Art - eine Weltanschauung.
Sie kann zu einem Gespräch über die Welt werden. Der Musiker und der
Zuhörer können einander verstehen, können einander nicht verstehen,
können in dem einseitigen oder beidseitigen Irrtum hören und spielen,
daß sie einander verstehen oder nicht verstehen. Die musikalische
Komposition kann auf diese Weise die Welt enthüllen, sie zeigen. Sie
kann aber auch, auf dieselbe Weise, die Welt verhüllen.
Die richtige Antwort auf einen „falsch“, „ungünstig“ gespielten „Ton“,
„Takt“, „Satz“ ist, ihn so zu spielen wie er „richtig“, „günstig“ ist.
Ansonsten ist das Gespräch am Ende. Erst dann können wir z.B.
ermitteln, daß man so nicht spielen kann (das Instrument erlaubt es
nicht, der Musiker kann es nicht, der Zuhörer hört nicht), oder daß so
nur derjenige spielen oder zuhören kann, der dazu fähig ist.
Ähnlich ist es, wenn wir die Komposition, das Musikstück nicht
verstehen (wenn wir sie nicht spielen, singen können, wenn wir nicht
gut hören), wenn wir diesen Teil fehlerhaft imitieren. Wir erwarten, daß
er richtig vorgeführt wird.
Das richtige Bejahen der Sprache der Musik ist zusammenzuspielen: ja,
ich höre (sehe, fühle) es auch so. Mit anderen Worten: ich sehe (höre) in
dieselbe Richtung. Je mehr wir die Musik für die Sprache benutzen, um
so weniger ist zu hören (zu sehen), was die Musik vorführt.
Neben dem Verständnis für die Musik - wir haben eine gemeinsame
Sprache gefunden -, kann eine Verhexung durch die Musik entstehen:
der Zuhörer (aber auch der Musiker) verstummt nach und nach - dies ist

eine wichtige Voraussetzung, damit er überhaupt hören (sehen) kann -
und beginnt sich wirklich, oder zumindest im Geiste, zu bewegen.
Ruhe und Bewegung: darin liegt die musikalische Verzauberung. Der
verhexte Zuhörer wird in einem bestimmten Maße seines eigenen
Willens entledigt, wird physisch erneut in die Welt der Zahlen und
Verhältnisse gezaubert. Er verhält sich nach dem, was die Musik vorstellt,
was sie mitteilt.
Eine Folge der Emotion, also der Bewegung, kann, aber muß nicht das
Sentiment sein: Gefühle ungebundener Freude oder im Gegenzug tiefe
Hoffnungslosigkeit usw. - die innere Evidenz dessen was geschieht.
Wenn Sentiment ohne Verzauberung entsteht, geht es um Hysterie, die
mit der Musik nichts zu tun hat. Eine Aussage über die Verzauberung
kann eine andere musikalische Komposition sein (eine Antwort).
Kehren wir zurück zur Sprache der Musik. Eine musikalische
Komposition kann man so als eine verspätete Replik auf eine andere
musikalische Komposition begreifen. Der Zuhörer - jetzt Musiker -
konnte oder schaffte es nicht, zusammen- oder richtig zu spielen. Ist sie
eine Replik auf eine andere Replik, dann unterscheidet sie sich von der
vorausgegangenen. Ist sie eine Replik auf eine vorausgehende, dann muß
sie ihr ähnlich sein.
Ein Beispiel einer solchen Auslegung kann erneut die musikalische
Harmonie sein. Jetzt schon als Zusammenstellung sich langsam
entwickelnder (musikalischer) Regeln, Empfehlungen und
Beschränkungen, die die (musikalische) Komposition einhält. So ist es
möglich, die Komposition zu verstehen, ihre Struktur, Form zu begreifen,
weil Kompositionen, die vom Aussehen der gegebenen Harmonie
ähnlich sind, die selben Regeln einhalten. Die Komposition beruft sich
somit, verweist auf etwas. Auf der anderen Seite kann man die Harmonie
als musikalische Beschränkung begreifen, welche die Komposition
überschreitet, wenn sie alle Argumente ausgeschöpft hat. Sie beruft sich,
sehnt sich danach, ein Verweis zu werden. Dazu wird sie, wenn man sie
versteht, wenn sie uns gefällt. Sie gefällt uns, wenn wir sie noch einmal
hören möchten. Es kann passieren, daß eine der vorausgegangenen
Repliken überflüssig wird, oder das man vor die letzte Replik einige
andere einreihen muß.
Nach und nach kommt es jedoch dazu, daß alle möglichen
Überschreitungen der musikalischen Harmonie ausgeschöpft sind. Die
musikalische Harmonie hörte in diesem Moment schon lange auf
„Harmonie“ zu sein, Regeln des Einklangs - die behexenden und
verfluchenden Fähigkeiten der Musik sind jene dort, es überwiegt der
informierende Aspekt: die musikalische Aussage wird zu einem Rätsel
darüber, auf welche Weise sie strukturiert, komponiert ist. Die Freude an
dem Gehörten ist die Befriedigung aus dem Lösen des Änigmas. Danach
wird die Komposition aufgenommen, damit das nächste mal niemand
zum zweiten mal mit demselben Rätsel ankommen kann. Zu einer
musikalischen Komposition kann somit alles werden, einschließlich der
Stille,falls eine Struktur, ein System gefunden werden kann, um die
gegebene Komposition zu interpretieren.

Der Komponist und der Zuhörer spielen gemeinsam Verstecken. Wenn
sich der Komponist zu gut versteckt, wird dem Zuhörer entweder
langweilig oder er ruft lauthals: ich sehe Dich gut! So, daß der versteckte
Künstler ihn gut hören kann.

Jede Komposition ist auf ihre Art in einem Ton enthalten. Die Sprache
der Musik umgibt uns also überall. Es sind Verhältnisse, Analogien. Der
körperliche und sterbliche Mensch kann allerdings den Ton in seiner
Gesamtheit nicht erreichen. Er muß sich die Welt über den Körper, mit
Hilfe von Ebenen, mit Hilfe von Stufen, also von Verhältnissen und
Proportionen, vorführen.

Die Sprache des Treppenhauses

Was spricht das Treppenhaus, was erzählen sie Stufen auf unserem Weg
hinunter und hinauf? Sie sprechen von Aufstiegen und Abstiegen. Über
den Anfang, über das Ende, über die Stufen dazwischen. Es ist eine
Einladung, sich an einer guten Reise zu beteiligen, wenn wir unterhalb
des Treppenhauses stehen, die Möglichkeit der Rückkehr und eines
möglichen Wiederaufstiegs, wenn wir ermüdet an der Hälfte des Weges
stehen. Es bringt die Mitteilung über eine angetretene Reise, hoch, in
Richtung von etwas. Es gibt uns die Möglichkeit ein Ziel zu erreichen, an
dem wir erwartet werden und verspricht Hilfe in unserem Unvermögen.
Es ist ein Ersatz für den fehlenden Gipfel, für die nicht verwirklichbare
Vermittlung einer Erkenntnis in einem Augenblick. Es ist Berauschung
auf dem Weg zum Haus der Götter. Am Gipfel sind jedoch wieder nur
weitere Treppen. Und zuletzt bringt es den Fall und den Tod. Alles ist
weg.
Was nicht lebendig ist, hat den Tod nicht vor sich.

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