wird, bezahlt er komplett aus der eigenen Tasche. Er hat dort, auf diesem
Welttheater, die besten Plätze in der ersten Reihe reserviert. Auf den
Ständen: zwischen Kartoffeln, Melonen und Petersilie.
Und an dieser Stelle sollten wir uns sorgfältig an Huysmans’ Bild von des
Esseintes erinnern.
was sich verändert, das woran wir gewöhnt sind, ist redundant. Dadurch
wird die Veränderung alltäglich, man kann, ähnlich wie beim Heroin,
ihre Dosis nicht unendlich erhöhen. So wird Fernsehnormalität
geschaffen: Wenn Autos zusammenprallen, wenn Flugzeuge abstürzen,
wenn die Politiker betrügen und stehlen, wenn der Fortschritt
fortschreitet, wenn täglich neue Nilpferde im Zoo geboren werden, und
wenn diese Normalität stets von denselben Gesichtern mit denselben
Mimiken moderiert wird (blödes Lächeln, mitleidige Anteilnahme, Brille),
wenn sie Serien weitergehen, wenn das Programmschema bis ins Detail
eingehalten wird und wenn immer neuere und überraschendere
Reklame erscheint - dann können wir beruhigt schlafen gehen. Eine
redundante Wirklichkeit drängt die andere hinaus - außer der neuen
Reklame passiert nichts, das ist die einzige Veränderung, an die wir uns
gewöhnt haben. Der "Fortschritt" wird alltäglich, neu wäre es, immer
dieselben Nachrichten zu bekommen. Unverfälschte Erregung
durchleben wir nur bei der Reklame oder wenn das Band mit der
Aufzeichnung reißt, wenn der Fernseher aufhört zu funktionieren, wenn
das Programmschema gestört wird. Mit "Was ist los, was ist los?" geben
wir unserer Angst Ausdruck und rufen nach der Rückkehr zur Normalität
oder kaufen eine neue Zahncreme.
Durch das schrittweise Ausschöpfen aller Überraschungen und
Anomalien, bei gleichzeitiger Erhaltung der Ausstrahlung der Struktur,
bekommt das Fernsehuniversum mehr Farbigkeit und Volkommenheit.
Das Fernsehen wird so allwissend. Im Hinblick darauf, daß das Fernsehen
keine Vergangenheit hat, daß es sich nicht der Vergangenheit zuwendet
(das, was passiert ist, passiert erst auf dem Bildschirm gerade heute und
gerade jetzt), ist seine Wahrheit nur mit Hilfe anderer, also der nächsten
Fernsehbilder testbar (die sind jedoch momentan aktuell, haben bereits
die vergangenen Bilder verdrängt), seine Allwissenheit stellt sich also als
Allwissenheit über die Zukunft dar. Dadurch gewinnt es das
Übergewicht über die Wirklichkeit. Das Sendeschema führt zu einem
rituellen Verhalten, die Struktur des Denkens und Verhaltens entspricht
nicht der Struktur der wirklichen Welt,x i iisondern
der Struktur des
Fernsehuniversums. Im Hinblick auf die Allwissenheit des Fernsehens ist
dies vorteilhafter. Die Fernsehserien werden so wirklich lebendiger, die
Zeitungen und Zeitschriften informieren über das Fernsehuniversum
(Ano, die
Wochenzeitung des Senders NOVA, beispielsweise
ausschließlich, aber auch die Tageszeitungen bringen die
Fernsehereignisse auf ihren Titelseiten; in Wirklichkeit sind "seine [des
Z{caron}elezný, Rufen
Sie den Direktor an, 19.1.1996). Desselben
Behauptung in derselben Sendung, nämlich daß "Dallas die Grundwerte
der Zuschauer berücksichtigt", sagt etwas über diese Welt der Rituale
aus.
Jede Verzauberung ist die Verzauberung vom einen ins andere, z.B. von
einer Wirklichkeit in eine andere Wirklichkeit, von einer Struktur in eine
andere Struktur. Die Verzauberung des Fernsehens (Verzauberung -
Verwirrung, Versteinerung, Brechen des Willens, Bewunderung, sich vor
einer Sache beugen) verhext das Bild auf dem Bildschirm in ein
Fernsehuniversum, den Zuschauer verzaubert sie in denjenigen, der in
der Funktion des Fernsehuniversums lebt. Die Objektivität des
Fernsehbildschirms ist der Betrug, es geht um die Objektivität eines
programmierten Universums. So wird dem verhexten Zuschauer sein
Leben genommen, er wird in einen Menschen ohne eigenen Willen,
ohne Gedächtnis und ohne Vergangenheit verzaubert, er kann sein
Leben programmiert vom Fernsehschema leben, wird zu einer Spielfigur,
wird zu einem Roboter, sein Verhalten ist das Verhalten eines Automaten
- wir sehen sie überall: Supermärkte, Banken, Polizei, politische Parteien.
Der verhexte Zuschauer kann das Blut und die Gewalt im Fernsehen
kritisieren, das sind Erscheinungen ohne Träger, er wird weiterhin nur
zu programmierten "Eigenschaften ohne den Menschen", seine Gefühle
kann man jederzeit aufordinieren.
Wie wir bereits im Teil "Direktübertragung" angedeutet haben, sind
Akteur und Zuschauer unter gewissen Umständen auf derselben Seite des
Bildschirmes, beide Seiten werden auf dieselbe Weise verzaubert, auch
wenn nicht ganz gleich. Die Verzauberung durch den Bildschirm ist
analogisch zur Verzauberung durch ein Fernsehobjektiv. Besonders
deutlich kann man das bei Politikern beobachten oder bei Menschen mit
beschränkter - zweckmäßigerweise einseitig ausgerichteter - Intelligenz.
Das Fernsehen soll automatisch funktionieren, unabhängig von
menschlichen Eingriffen, der lebendige Mensch muß aus dem Fernsehen
ausgeschlossen werden. Dies ist gelungen. Der Doktor und auch jeder
andere vom Sender NOVA sind nicht lebendig, ihre menschlichen
Fähigkeiten müssen genial unterdrückt werden, damit sie den
Zielsetzungen des Senders gut dienen, ihre Entscheidungen und ihr
Verhalten werden durch den guten Gang des Senders bestimmt, in den
man nicht sehen kann, es geht nicht um eine menschliche Zielsetzung,
es geht um die Zielsetzung des Senders, man kann nicht von seinem
Besitzer sprechen, und nur in diesem Sinne kann man vom unabhängigen
Fernsehen sprechen. Das menschlichen Entscheiden und Verhalten spielt
sich auf der Grundlage von Fernsehapparaten ab, die menschliche
Richtung ist daraus verdampft. Das Fernsehen hat nun ein einziges Ziel:
sich selbst zu erhalten und sich zu perfektionieren, keine menschlichen
Interessen sind in ihm enthalten. Das Fernsehen absorbiert und
assimiliert die Versuche von Menschen, sich zu befreien: es leitet sie auf
den Bildschirm um. Dadurch bereichert sie ihr Universum.
verheddert ist. Es wird uns, wie wir im weiteren sehen werden, noch
von Nutzen sein.
erwähnt haben, mit Hilfe der Analogien zwischen Bild und Schrift und
einem Text mit einem technischen Bild (z.B. Fernsehbild) des Textes
charakterisieren. Desweiteren durch die Massenbenutzung dieser
technischen Bilder des Textes: mit wiederholbaren und dadurch
wiederholt benutzbaren Videobildern. Diese technischen Bilder bilden,
ob auf diese oder jene Weise, den größeren, bedeutenderen Teil unserer
Welt.
Die ursprünglichen Bilder, die heute in Depots und Galerien abgelegt
sind, die ursprünglich zwischen dem Menschen und der Welt standen,
vermittelten die Welt und wiederholten sie auf dieselbe Weise, aber nie
gleich (sicher, die Unmöglichkeit einer eindeutigen Interpretation ist
eines der Kriterien eines Kunstwerkes, nur dann ist der Künstler ein
Künstler, einer, der etwas kann).
Die Bedeutung eines Bildes liegt in der Oberfläche - der Mensch kann es
(muß aber nicht, nur dann wenn er es lesen kann) mit einem Blick
verstehen, Bilder bieten Raum für Interpretation, durch die Blickführung
durch die Elemente des Bildes werden Zeitbeziehungen hergestellt, wird
der wirkliche Raum rekonstruiert. In dieser magischen Welt wird alles
auf dieselbe Weise wie in der wirklichen Welt wiederholt (in der
magischen Welt bedeutet der Sonnenaufgang und das Krähen des
Hahnes dasselbe). Die Bilder sind Mittler zwischen der Welt und dem
Menschen, die Welt ist dem Menschen nicht unmittelbar zugänglich, sie
stellen sich so zwischen den Menschen und die Welt, sie sollen
Orientierungspunkte sein, werden jedoch zunehmend zu spanischen
Wänden. Anstatt daß sie die Welt vermitteln, verstecken sie sie immer
vollkommener und vollkommener, bis der Mensch anfängt, in der
Funktion der Bilder zu leben, die er selbst geschaffen hat, bis er aufhört
sie zu dechiffrieren und sie statt dessen undechiffriert in die Welt sendet,
an die Stelle, wo ursprünglich die Welt stand. Die Welt wird so zu einer
Zusammenstellung von Bildern, der Mensch vergißt, daß er selbst die
Bilder geschaffen hat, um sich anhand von ihnen zu orientieren, er kann
sie nicht dechiffrieren, die Imagination verwandelt sich in eine
Halluzination. Aus dem Bild wird ein Artefakt, man kann an ihm nicht
erkennen, daß es für die Orientierung des Menschen in der Welt
geschaffen wurde.
Durch die Erfindung der Schrift beginnt der Kampf gegen die Macht des
Bildes. Bilder werden in Texte überführt, also in eine kausale,
schrittweise Niederschrift. Ein Teil des Textes folgt auf den anderen.
Ursache und Folge charakterisieren den Text und werden zur Grundlage
der Struktur der Welt. Kausales Denken ist ein Mittel zu seiner
Dechiffrierung. So wie im Text eine Handlung der anderen folgt, sie
verursacht. Es wird zunehmend ein kausales Bewußtsein geschaffen,