Bilder auf einmal sehen, dann handelt es sich um eine Interferenz, um
Chaos, wir sehen nichts, das Bild hat seine Macht verloren. Übrigens, es
hat keinen Sinn, bei Bildern von irgendeiner Logik zu sprechen, die ist ja
gerade eine lineare Kodifizierung des Bildes, es gibt keinen Grund es
anders zu kodieren.
Auf Petr{caron}íc{caron}eks rhetorische Frage, wo im offenen Raum der
Bildmedien, auf dem medialen Markt, die Macht lokalisiert ist (die
Antwort soll heißen: nirgendwo), ist die Antwort eindeutig: bei der
Steckdose, die die Medien belebt.
Wir haben hier nicht nur die menschliche Intention im Blick. Wenn es
nichts zu propagieren gibt, wenn die Werbung nicht funktioniert, dann
findet der mediale Markt nicht statt.
Der Zuschauer fängt dann an sich statt des Fernsehens Witze zu erzählen
und knabbert dabei heruntergesetzte Kekse. Petr{caron}íc{caron}ek
schüttet sein Herz aus: der Bilderwitz verschwindet. Im Nachhinein freut
er sich: auf der anderen Seite verbreitet sich die orale Anekdote. Dann
spuckt er aus und geht die heruntergesetzten Kekse kaufen. Sie werden
ihm in der Nacht von Nutzen sein. Die Gesetze der Logik werden ihn
entweder schlafen lassen oder nicht schlafen lassen. So wird er einsehen,
daß das Gesetz des nicht-ausgeschlossenen Dritten Schwachsinn ist.

IX. Bild und Macht II

Für den Fernsehzuschauer ist eine Sache auffällig: aus dem Fernsehen
erfährt er bis auf Ausnahmen nichts. Die Nachrichten sind sich Tag für
Tag ähnlich, es scheint, daß die einzige Nachricht, die das Fernsehen
sendet, eine über sich selbst ist (wenn der Film reißt), oder daß die Welt
unglaublich geheimnisvoll ist und es sich nicht lohnt, sie
kennenzulernen.
Eine Fernsehnachricht stellt vor allem die Art der Moderation, das Jingle,
die Dekoration und das Design des Studios, die Kleidung des Moderators,
die Regie usw. dar. Das, an was wir uns aus den Nachrichten erinnern,
ist vor allem der Name und die Gestalt des Moderators. Unseren Verdacht
erhärtet die Tatsache, daß keine Kritik der Fernsehnachrichten existiert,
wenn wir die Kritik an der Art und Weise der Ankündigung nicht
mitzählen, oder Einwände gegen ein größeres oder kleineres
Vorhandensein von roten Punkten auf dem Bildschirm, die Komposition
der Nachrichten - also ästhetische Einwände. Die einzelnen Nachrichten
haben eine einheitliche bildliche Begleitung, es wiederholt sich ständig
dasselbe auf dieselbe Art: Politik - Händeschütteln, Türenschließen von
Limousinen, klappernde Apprate, ausgestreckte Mikrofone, Schließen
großer Türen; Naturkatastrophen - fliehende und eingemummte
Gestalten, ein Auto, das durch Wasser fährt; schwarze Chronik -
Blutlachen, Schließen von Krankenwagentüren, Opfer; Italien - Spaghetti,
Mafia, Polizei; Amerika - Wolkenkratzer, Autos, Cowboy, Cop;
Deutschland - Nationalsozialismus; Frankreich - Liebe, Polizist; der Rest -
der Reporter, je nach Bekanntmachung am Tatort, wiederholt das, was
der Moderator gesagt hat. Nachrichten werden als etwas

geheimnisvolles, nicht bildlich darstellbares dargestellt, z.B. die Politik als
Sitzung geheimer Bünde, die sich vor der Welt verstecken usw.
Die große Leistung jeder Nachrichtenredaktion ist die Neutralisierung
der Fakten, keineswegs ihre Einbringung. Jede Nachricht enthält in sich
noch eine Menge anderer Nachrichten, die wegen ihr verschwiegen
werden.
Alle Nachrichten sind kanonisch, ihre Zusammensetzung und ihre
Auswahl auch (das Nachrichtengenre ist gleich rigide wie ein Western
oder die Serie Dallas).x vi iWir können den Fernsehsender wechseln,
verändern dadurch aber lediglich ästhetische Kriterien.
Ergebnis: der mediale Markt ist Betrug. Unter verschiedenen Etiketten ist
dasselbe darin enthalten, verschieden verpackt, zu unterschiedlichen
Preisen. Nachrichten sind stets über dasselbe, es passiert stets dasselbe.
Was? Worüber? Die Vorstellung von der Welt als einem großen Dorf, wo
nicht viel passiert: die Menschen werden geboren und sterben, den
Zuschauer muß das nicht betreffen, an alles wurde oder wird gerade, auf
demokratischem Wege, von der zuständigen Institution erinnert. Später
wird alles noch zu einem Spielfilm verfilmt.
Wer sind die Bewohner dieses großen, dieses sogen. globalen Dorfes?
Die Menschen sicher nicht. Eher Institutionen ihrer Art.
Der mediale Markt enthält so eine einzige Information: außer dem
medialen Markt ist nichts. Wenn der Markt aufhört zu funktionieren,
wird die Welt zusammenbrechen.
Kommen wir zur Struktur und Präsentation der Nachrichten zurück. Alle
Nachrichten haben noch einen gemeinsamen Zug, eine ähnliche
„logische Präsentation“, sie sind auf ihre Art paradox. Sie sollen
Erstaunen hervorrufen, Überraschung: kleine Ursachen - große Folgen,
notwendige Ursachen - keine Folgen (kommt der Bauer heim, macht das
Licht an und die Hütte ist weg) usw., sie haben eine ähnliche
Präsentation wie die Nachrichten aus der schwarzen Chronik.x vi i iDafür
ist es notwendig noch eine Frage zu beantworten: Geht es um
Bildnachrichten mit Textbegleitung oder umgekehrt?
Oftmals passiert es, daß wir nicht sicher sind, ob ein Bild einen
gesprochenen Kommentar illustriert, oder ob das Wort eine Begleitung
für das Bild ist, oftmals wissen wir sogar nicht, ob Bild und Ton
zueinandergehören. Wenn es um Wortnachrichten geht ist es nur
scheinbar paradox, wenn es um Bildnachrichten geht, dann kann es
nicht paradox sein, weil eine Bildfolge an sich keinen logischen Aufbau
hat, ein Bild radiert das andere aus, induziert jedoch einen scheinbaren
Paradox mit der Transkription in einen Text.
Die Nachricht wirkt so wie ein Teufelskreis: wenn der Zuschauer die
akustische Nachricht wahrnimmt, kommt es zu einem Paradox, der ihm
das Bild öffnet; nimmt er die visuelle Nachricht wahr, zwingt ihn die
Unterbrochenheit der Bilder, die tonale Erklärung anzunehmen.
Die Nachricht funktioniert also gleich wie die Reklame: während der
Zuschauer den Mund vor Staunen öffnet, wird sein weiteres Verhalten
einprogrammiert. Die weitere Nachricht (oder Reklame) verursacht, daß
er im Nachhinein vergißt, daß er programmiert wurde.

Wir haben versprochen noch zu erwähnen, wie man die orale Anekdote
anders als mit drastischen Mitteln einschränken kann. Jene Ausnahme,
die M Petr{caron}íc{caron}ek jr. als Offenheit bezeichnet, ist die
Beschränkung des Auslegungsraumes auf mögliche Auslegungen des
Bilduniversums. Der klassische Witz „kommt der Bauer heim, macht das
Licht an und die Hütte ist weg“ wird im Raum des „medialen Marktes“ zu
einem Werbeslogan (bis jetzt wissen wir noch nicht ob für den Bauer
von Baumann, die Hütte von Immobiliar, das Heim von Happy day, die
Lampe von Kovosvit oder etwas anderes von jemandem anderen), er hört
auf eine Anekdote zu sein, sein Witz wird auf eine Auslegung überführt -
seine Auslegung existiert doch -, von der bis jetzt ein Bildchen fehlt, das
sie auslegt. Darüber ein andermal.

X. Wie ist das also mit der Auslegung
von Huysmans’ Bild von des Esseintes?

Weiß der Teufel.

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